Die Arena | Under the Dome | Stephen King

Die Arena | Stephen King Heyne Verlag

Die Arena | Stephen King
Heyne Verlag

Monumental und beängstigend real erzählt Stephen King den beklemmend aussichtslosen Überlebenskampf einer von der Außenwelt abgeschnittenen amerikanischen Kleinstadt. Chester’s Mill liegt – wie sollte es bei King auch anders sein – im neuenglischen Bundesstaat Maine. Unter der Kuppel läuft die Menschlichkeit schnell aus dem Ruder, es entwickelt sich in beklemmend hohem Tempo eine zerstörerische und mörderische Eigendynamik.

Mit mehr als 1200 eng bedruckten Seiten ist „Die Arena“ gefühlt fast so dick wie die Bibel. Stephen King hat mit diesem Werk eine Idee umgesetzt, die er schon vor Jahrzehnten entwickelte. Als damals noch wenig routinierter Autor befand er das Ganze aber vor allem wegen der aufwendigen Recherche dann doch als zu komplex. Deswegen wanderte der Versuch eines Manuskripts in die Schublade. Vergessen hat er den Plot aber nie, das Thema gärte in ihm – und viele Romane später war die Zeit reif dafür.

Wer wie ich als Stephen-King-Fan der 80er lange keinen Roman des Meisters mehr gelesen hat, fühlt sich in alte Zeiten zurückversetzt. Ich war sofort wieder im Lesewahn, und weil King sich erzählerisch nochmals gesteigert hat, kam trotz des enormen Umfangs keine Zeile Langeweile auf. Manchmal hat man bei solchen Monumentalwerken ja das Gefühl, ein paar Hundert Seiten weniger hätten dicke gereicht, King aber zeichnet die Entwicklung der Charaktere und Handlungsstränge so überzeugend, dass weniger in diesem Fall nicht mehr gewesen wäre. Ich habe übrigens die Serie auf Pro 7 dazu nie gesehen, kann nicht beurteilen, wie die Romanvorlage dort umgesetzt wurde – „Die Arena“ funktioniert jedenfalls auch so, allein für sich, ohne Filmbilder im Kopf. Stephen King hat sich seit seinen Erfolgen der frühen Jahre beachtlich weiterentwickelt, er ist ein begnadeter Erzähler, der seinen Schöpfungen – guten wie bösen Charakteren – Entwicklungspotenzial in alle Richtungen einräumt. Fantasy der düsteren Sorte, gnadenlos gut!

Ein Buch mit Geschichte(n): Jubiläumsbecher in der Busspur

2004 war ein besonderes Jahr: Es war das Jahr, in dem ich mich in einem äußerst kuscheligen inhabergeführten Laufforum anmeldete und dort Heidi Schmitt alias Frauschmitt begegnete. Vielmehr nicht ihr selbst, sondern ihrer sehr speziellen Art der Laufberichterstattung.

„Out of Egelsbach“, das ist die erste von vielen „Laufgeschichten aus der Provinz und von Anderswo“, die nun druckfrisch, aber bereits gebührend mit Kaffee und Streuselkuchen bekleckert, in Form des Buches „Jubiläumsbecher in der Busspur“ einen Platz in meinem Bücherregal gefunden haben. Wobei die Provinz von Egelsbach über Kelkheim Hornau bis Stierstadt reicht, das Anderswo überwiegend Frankfurt, New York und Bauchbeinepo meint. Fest ins Läuferherz geschlossen hatte ich die meisten der Erzählungen schon lange vor Erscheinen des Buches – umso mehr freut es mich, nochmals einzutauchen in „Die ganze Welt des Laufens“, die sich mitunter in einem einzigen Halbmarathon, immer aber in einem „Monolog mit Biber“ offenbaren kann.

Die Buchform wird den völlig unterschiedlichen, aber trefflich amüsanten Laufgeschichten unbedingt gerecht, denn da gehören sie hin: zwischen zwei Buchdeckel, appetitlich angerichtet mit diversen Perlen der wohlverdienten Läuferverköstigung zur energetischen Neuaufladung. Zum Dessert macht Heidi Schmitt erst „Schluss mit Esoterik“ und reicht alsdann ein paar erbauliche Limericks nach, mit denen Läufer aus Degerloch, Seesen, Grimmen, Minden und anderen Metropolen sich darüber hinwegtrösten können, nicht zur Provinz zu zählen.

Wie die geneigte Leserin (und der geneigte Leser) dieser Rezension sicher mittlerweile gemerkt hat, geht das Ganze in Richtung Kaufempfehlung. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dies Laufbuch habe einen Platz auf der Laufbuch-Bestsellerliste im Bereich Non-Training verdient. Obwohl von einer Frau geschrieben und mit ein paar wenigen eher frauenspezifischen Betrachtungen zum „Schenkeln“ bestückt, sollten es getrost auch Männer kaufen, bzw. Frau kann es ihnen unbesorgt schenken. Es gehört definitiv nicht in die Rubrik rosa Puschel, selbst wenn Puschel darin eine Nebenrolle spielen. Es kommen auch keine Vampire vor und niemand redet mit seiner inneren Göttin. Es ist also eine klare Empfehlung wert! Für LäuferInnen, für Leute, die LäuferInnen kennen, für Leute, die der Faszination des Dixieklos erlegen sind und für Leute, die gute Kurzgeschichten mögen.

Heidi Schmitt
Jubiläumsbecher in der Busspur
Laufgeschichten aus der Provinz und von Anderswo.
ISBN: 3848222523
EAN: 9783848222520
Paperback
Books on Demand
November 2012 – kartoniert – 180 Seiten

 

Frauschmitts Katze ist aus dem Sack

… oder von Blättern im Spätherbst

Meine werte Kollegin Claudia aus dem „Bestellbuch“ wird am Montag auf ihrem Schreibtisch einen Zettel vorfinden. Der ist von mir, ich hatte am Samstag Dienst, bin in der nächsten Woche in einer anderen Filiale eingeteilt und wollte sie darum vorwarnen. Auf dem Zettel steht, so sinngemäß:

Liebe Claudi,

nicht wundern, in den nächsten Tagen kommt ein BoD-Buchstäpelchen Jubiläumsbecher in der Busspur. Bitte einen schicken Ehrenplatz im Sportregal freischaufeln, das sind Laufgeschichten, die werden nicht schlecht. Im Gegenteil, die werden abgehn wie Schmitts Katze. Außerdem wird es da noch eine Lesung geben, aber dazu später mehr!
LG
Manuela

 

Dazu muss man wissen, dass Print-on-Demand-Bücher (BoD) von Buchhändlern normalerweise nicht in Stapeln bestellt werden. Auf Kundenwunsch, ja, dann stellt man sie nach ca. 3 Tagen Lieferzeit ins Abholfach, kein Problem. Aber einfach so für den Laden? Nö. Hinterher werden die noch schlecht. Und als Buchhändler steht man dumm daher, denn es gibt  kein Rückgaberecht wie bei den großen Verlagen. BoD-Stapeltitel sind ganz gefährlich.

In diesem Fall brauchen wir Buchhändler nicht ängstlich sein, da bin ich mir sicher. Denn schließlich wird dies Buch ja laufen, geradezu tierisch abgehn, dann wird nachbestellt, Frauschmitt wird irgendwann gewiss bei uns lesen, dazu wird Streuselkuchen gereicht und überhaupt: Ich freue mich schon darauf, bald meine Rezension zu schreiben, was ich noch nicht tun kann, da ich es ja leider noch nicht gelesen habe. Ich hoffe aber auf einige bekannte Geschichten aus guten alten Laufforen-Tagen, ein paar zauselige Stinker, wahnsinnig viel Streuselkuchen und natürlich auf Neues. Leute, dies ist sozusagen nur der Vorgeschmack, da kommt noch was.

Nachtrag: Nun sieh mal einer an, dieser Artikel hat mich schlauer gemacht. Ich wusste es tatsächlich noch nicht, dank eines Kommentars von Frauschmitt (der aber leider verschollen ist, anscheinend ist die Kommentarfunktion hier aus unerfindlichen Gründen trotz richtiger Einstellungen und Freischaltungen nicht so ganz funktionsfähig) habe ich meine buchhändlerische Fachkompetenz schlagartig auf den neuesten Stand gebracht: Vom Barsortiment Libri bezogene BoD-Titel dürfen inzwischen ganz normal remittiert werden! Womit belegt ist, dass früher eben nicht alles besser war! Es lebe die Moderne, früher war das undenkbar, aber die Zeiten ändern sich und BoDs gehören nun auch im Buchhandel zum normalen Tagesgeschäft. Ha, da kann ich nun ja gnadenlos und ohne jegliche Restrücksicht auf Verluste Jubiläumsbecher in die Busspur werfen. Danke @ Frauschmitt für die Erleuchtung!

Rowling in the Deep

Gestern in den Tiefen des Wareneingangs, zwischen Libri-Wannen und Buchpaketen aller Art: Fest verschlossen standen sie dort, die Carlsen-Kartons samt ihrem mit so neckischen Spielchen wie „Erstverkaufsstunde“ auf brisant gemachten Inhalt. Während ich also in den Kellertiefen fröhlich frische Bücher auspackte, dachte ich noch so, ob denn auch die betreffenden Wannen vom Großhändler womöglich verplombt seien, oder wenigstens kenntlich gemacht. Mit Aufklebern wie: „Öffnen vor dem 27.09.2012 Punkt 9 Uhr verboten. Andernfalls 1000 Euro bezahlen. Herzlichst, Ihre Sie wissen schon.“

Gerade als ich das so dachte und die nächste Wanne öffnete, leuchtete es mir rot und gelb entgegen. Reaktionsschnell ließ ich den Deckel wieder sinken, bevor mich ein plötzlicher Todesfall oder eine Zahlungsaufforderung dahinraffen konnte – meine Güte, wie brisant: Die Großhändlerlieferung, gänzlich ungeschützt! Ich hatte im Gegensatz zur deutlich markierten Verlagslieferung keine Chance gehabt, von außen zu erkennen, dass es sich um Frau Rowlings (bei uns von einem Vorbesteller) mit Spannung erwartetes neues Werk handelte. Also malte ich gleich ein großes Warnschild, mit Totenkopf und allem Drum und Dran: „DANGER!!! Do not open until tomorrow 9 o’clock in the morning!“

Das war noch mal gutgegangen! Den Tag und die Nacht verbrachten Pakete und Bücherwanne ungestört im Keller, bis endlich die heutige Verkaufsstunde nahte und wir den Todesfall zubuchen konnten. Daraufhin spuckte unser Drucker den einen Abholfachzettel für das eine vorbestellte Exemplar aus und das war’s. Keine Menschenmengen, die wegen dieser Sensation Schlange standen, keine Schlägereien vor der Kasse um die neue Rowling. Der Vorbesteller erschien jedoch brav gegen 10 Uhr, um das Buch abzuholen. Zwei, drei andere Kunden kauften es auch noch. Ich las den ersten Satz, den ich sehr schön fand. Er erinnerte mich irgendwie an Harry Potter.

Dann las ich die vom Spiegel online „empfohlenen“ Seiten, weil ich ja arbeiten musste und darum gerade nicht so viel Zeit zur gemächlichen Lektüre hatte. Beim Spiegel-Team war das Buch angeblich sogar erst nach 9 Uhr eingetroffen, aber gelesen haben es die eifrigen Rezensenten anscheinend im Zeitraffer, Schlag auf Schlag ging das. Völlig entzaubert haben sie das Werk; ob die gute Frau Rowling diese sezierende Häme verdient hat? Ich enthalte mich mal noch der Stimme, bis ich es gelesen habe.

Spoiler folgt also … vielleicht.

PS: Und inspiriert hat mich zu der „Rezension“ selbstverständlich Mr. Kirk Spader, an dessen wunderbare Anmerkungen zu Shades of Grey ich aber nicht heranreiche, das ist unschaffbar. 🙂

Shades of Grey „Geheimes Verlangen“ und was ich dazu zu sagen hätte …

Leute, ich bin Buchhändlerin und werde dieses Buch verkaufen! Schließlich brauchen wir Umsätze, also werfen wir derzeit alle Dünkel von Bord und handeln einfach. Mit Schnickschnack, der uns, dem darbenden Buchandel, zu mehr Umsatz verhelfen soll, mit lüsternen Blutsaugern, dauerrolligen Katzenmenschen und saukomischen Weiberromanen. Und jetzt verkaufen wir eben „Geheimes Verlangen“. Aber eines kann ich NICHT, nämlich dies Buch empfehlen. Das soll aber bitte niemanden daran hindern, es trotzdem zu kaufen. Sicher wird es bald ohnehin in trauter Eintracht mit den Folgebänden „Gefährliche Liebe“ und „Befreite Lust“ ein Stelldichein auf der Spiegel-Bestsellerliste feiern.

50 Shades of Grey lautet der englische Originaltitel, die 50 hat der deutsche Verlag („Goldmann – Lesen erleben“ – oho!) gegen den Untertitel „Geheimes Verlangen“ eingetauscht, die Krawatte auf dem Titelbild gegen eine Blüte, die offenbar weibliche Sinnlichkeit symbolisieren soll. Die Protagonistin plappert von Seite 7 bis Seite 602 ebenso unentwegt wie dämlich vor sich hin, schließlich hat sie uns ihre außerordentlich aufwühlende Geschichte zu erzählen. Der Protagonist kann endlich mal die Zähne zeigen, ohne ein Vampir zu sein, er ist einfach nur ein ganz normalsterblicher Mann: extrem gut aussehend, schwer reich, großer Schwanz, immer bereit, arrogantes Arschloch – und auch sonst ein Typ, von dem sich eine naive Jungfrau gern kurz mal die Unschuld rauben und nach Unterschreiben des mehrseitigen Sklavenvertrags etwas später auch fast freiwillig ausdauernd versohlen lässt.

Keine Angst, dies wird kein Spoiler, es kann gar keiner sein, denn wesentliche Spannungsmomente habe ich nicht entdecken können. Eindimensionale Charaktere, denen die Autorin krampfhaft mehr Tiefe verleihen möchte, was aber nicht gelingt. Der fiese arrogante Sack ist eigentlich ein netter Kerl und hatte wahrscheinlich eine schwere Kindheit, Genaueres werden Band 2 und 3 zum Vorschein zerren. Die unbedarfte Ex-Jungfrau ist ja eigentlich total intelligent, schließlich liest sie als Literaturstudentin auch Thomas Hardy. Leider hindert sie das nicht daran, gefühlte 100 Mal Dialoge mit ihrer jauchzenden „inneren Göttin“ zu führen, beim Orgasmus ständig in 1000 Stücke zu zerbersten und obendrein sehr zum Missfallen von Master-of-her-Universe Grey beharrlich augenverdrehend an ihrer Unterlippe zu kauen, woraufhin er – es scheint ein Schlüsselreiz und Teil seines Kindheitstraumas zu sein – sofort Sex haben möchte. Oder peitschen oder so was.

Auf der typischen Sterne-Skala von 1 bis 5 würde ich der faden Story um die graue Maus Anastasia und ihren schwarzen Schwänerich Christian nur deshalb üppig bemessene zwei Sterne spendieren, weil das Buch unfreiwillig komisch und darum doch irgendwie amüsant ist. Ohne es zu wissen – es ist wirklich nur eine Vermutung – neige ich dazu zu glauben, dass auch die SM-Szene das Werk indiskutabel findet. In der Zusammenfassung ist es nicht ergiebiger als eine Endlosschleife „Master and Servant“, von der britischen Band Depeche Mode bereits 1984 thematisiert.

„There’s a new game
We like to play you see
A game with added reality
You treat me like a dog
Get me down on my knees
We call it master and servant.”

NACHTRAG 11.07.12:  Eine Rezension, die es toll auf den Punkt bringt und dabei noch so herrlich die naive Tonart der Story parodiert, fand ich eben beim großen Online- Konkurrenten. Mit freundlicher Genehmigung des Rezensenten Kirk Spader:

Meine Oberlippe zersprang in 1.000 Stücke … 11. Juli 2012
Neulich fuhr ich im geliehenen R8 Spider eines Kumpels durch die Gegend, als mir einfiel, dass ich für den geplanten Campingurlaub noch Material brauchte um die Zeltstangen zu transportieren. Also den R8 zackig vorm Haupteingang eines Baumarktes in der Nähe geparkt und nur im weißen Oberhemd und gut auf der Hüfte sitzender Jeans in den Baumarkt. Da war natürlich kein Verkäufer, also ich in den Pausenraum ohne anzuklopfen. Da waren die alle. Verkäuferin ausgesucht und ihr gesagt, dass ich Kabelbinder, Klebeband und Seil bräuchte. Sie wurde knallrot und wir gingen in die Elektroabteilung wegen den Kabelbindern. Sie stolperte dreimal und gesagt hat sie auch nicht viel, weil sie die ganze Zeit an ihrer Oberlippe knabberte. Das hat total genervt. Als ich die Kabelbinder (zum Zusammenbinden der Zeltstangen) ausgesucht hatte, kam sie immer näher und nuschelte etwas (konnte ich nicht genau verstehen, weil sie immer noch an der Oberlippe nagte), klang so, als wenn wir einen Vertrag machen sollten. Ich sagte, dass ich einen Vertrag über den Kauf von Kabelbindern, Klebeband und Seil etwas übertrieben fände, es würde doch reichen, wenn ich es kaufen und eine Quittung bekommen würde. In der Klebebandabteilung sagte sie, dass sie gleich explodieren würde. Dabei sah sich mich ganz komisch an. Ich wollte nicht, dass sie explodiert, deswegen habe ich sie vorsichtshalber mit dem Klebeband umwickelt und sie an einer Säule fixiert. Die anderen Kunden haben komisch geguckt, aber ich habe einfach weitergemacht. Dann bin ich gegangen. Im Zelturlaub habe ich dann „Shades of Grey“ gelesen. Ich finde, das ist ein Klassebuch, weil absolut realitätsnah.

Applaus, Mr. Spader!

Frau Sanne
CEO Reimerlei