Gestern in den Tiefen des Wareneingangs, zwischen Libri-Wannen und Buchpaketen aller Art: Fest verschlossen standen sie dort, die Carlsen-Kartons samt ihrem mit so neckischen Spielchen wie „Erstverkaufsstunde“ auf brisant gemachten Inhalt. Während ich also in den Kellertiefen fröhlich frische Bücher auspackte, dachte ich noch so, ob denn auch die betreffenden Wannen vom Großhändler womöglich verplombt seien, oder wenigstens kenntlich gemacht. Mit Aufklebern wie: „Öffnen vor dem 27.09.2012 Punkt 9 Uhr verboten. Andernfalls 1000 Euro bezahlen. Herzlichst, Ihre Sie wissen schon.“
Gerade als ich das so dachte und die nächste Wanne öffnete, leuchtete es mir rot und gelb entgegen. Reaktionsschnell ließ ich den Deckel wieder sinken, bevor mich ein plötzlicher Todesfall oder eine Zahlungsaufforderung dahinraffen konnte – meine Güte, wie brisant: Die Großhändlerlieferung, gänzlich ungeschützt! Ich hatte im Gegensatz zur deutlich markierten Verlagslieferung keine Chance gehabt, von außen zu erkennen, dass es sich um Frau Rowlings (bei uns von einem Vorbesteller) mit Spannung erwartetes neues Werk handelte. Also malte ich gleich ein großes Warnschild, mit Totenkopf und allem Drum und Dran: „DANGER!!! Do not open until tomorrow 9 o’clock in the morning!“
Das war noch mal gutgegangen! Den Tag und die Nacht verbrachten Pakete und Bücherwanne ungestört im Keller, bis endlich die heutige Verkaufsstunde nahte und wir den Todesfall zubuchen konnten. Daraufhin spuckte unser Drucker den einen Abholfachzettel für das eine vorbestellte Exemplar aus und das war’s. Keine Menschenmengen, die wegen dieser Sensation Schlange standen, keine Schlägereien vor der Kasse um die neue Rowling. Der Vorbesteller erschien jedoch brav gegen 10 Uhr, um das Buch abzuholen. Zwei, drei andere Kunden kauften es auch noch. Ich las den ersten Satz, den ich sehr schön fand. Er erinnerte mich irgendwie an Harry Potter.
Dann las ich die vom Spiegel online „empfohlenen“ Seiten, weil ich ja arbeiten musste und darum gerade nicht so viel Zeit zur gemächlichen Lektüre hatte. Beim Spiegel-Team war das Buch angeblich sogar erst nach 9 Uhr eingetroffen, aber gelesen haben es die eifrigen Rezensenten anscheinend im Zeitraffer, Schlag auf Schlag ging das. Völlig entzaubert haben sie das Werk; ob die gute Frau Rowling diese sezierende Häme verdient hat? Ich enthalte mich mal noch der Stimme, bis ich es gelesen habe.
Spoiler folgt also … vielleicht.
PS: Und inspiriert hat mich zu der „Rezension“ selbstverständlich Mr. Kirk Spader, an dessen wunderbare Anmerkungen zu Shades of Grey ich aber nicht heranreiche, das ist unschaffbar. 🙂