Crashkurs DaF fürs Ehrenamt

Draußen schönster Frühling, drinnen ein gutes Dutzend Freiwillige, die sich trotz verlockender Sonne weiterbilden. Am Wochenende! Freitag und Samstag! Und an beiden Tagen vollzählig – auch am zweiten Kurstag fehlte bei prächtigstem Wetter niemand. Bestimmt lag dieser Eifer nicht an der Teilnahmebestätigung, die am Schluss verteilt wurde und die im Grunde – ohne das abwertend zu meinen – allenfalls so eine Art Jodeldiplom ist. Sondern es passte einfach alles super zusammen: ein gutes Dutzend motivierter Kursteilnehmer_innen, eine sympathische Dozentin und natürlich ein äußerst interessantes Thema: Deutsch als Fremdsprache, kurz DaF.

Nun kann man in einem zweitägigen Wochenendkurs nicht mal eben schnell DaF umfassend vermitteln, das dürfte jedem klar sein. War auch nicht das Ziel dieser Weiterbildung, die sich an Leute wie mich richtet. Menschen jeden Alters, die sich der Herausforderung stellen, Geflüchteten Grundlagen der deutschen Sprache zu erklären, ohne die dafür erforderliche Ausbildung zu haben. Dabei bin ich vor anderthalb Jahren ja auch schnell an meine Grenzen gestoßen. Selbst seine Muttersprache gut in Wort und Schrift zu beherrschen bedeutet nämlich noch lange nicht, Deutsch als Fremdsprache systematisch lehren zu können. In der Rolle als Unterstützerin bei Behördengängen und den verschiedensten Dingen des Alltags fühlte ich mich kompetent und konnte wirklich helfen, nicht aber als Deutschlehrerin. Da musste ich schon bei der Regel zur richtigen Verwendung von „sein“ und „haben“ und des Genus feststellen: Ich kann das, aber ich kann selbst elementare Grammatikregeln nicht begreiflich machen und ich habe auch keine Ahnung von den verschiedenen Methoden der Vermittlung. Wortschatzarbeit, Phonetik … das macht man nicht alles mal locker aus der Hüfte, nur weil man des Deutschen ganz gut mächtig ist.

Ich war darum froh, dass alle meine neuen syrischen Bekannten recht schnell Plätze in regulären Kursen erhielten. Zur Überbrückung organisierte ich Deutschstunden bei anderen Ehrenamtlern, die wenigstens einen pädagogischen Hintergrund hatten. Was man nicht kann, sollte man besser lassen …, singt schon der feine Herr Alligatoah – und da hat er recht. Aber ich dachte mir immer, wenn du irgendwann viel Zeit hast, dann frischt du dein verstaubtes Grammatikwissen wieder auf, dann bildest du dich mal weiter. Ich sah mich schon als betagte Seniorstudentin in der Uni Vorlesungen besuchen, aber bis dahin dauert’s ja doch noch etwas … wer weiß, was dann ist …

Als ich dann über die Facebook-Gruppe Willkommental von dem Angebot dieses Weiterbildungs-Crashkurses in Wuppertal erfuhr, meldete ich mich spontan an. Und so kam es, dass ich gestern und heute in einem sehr hübschen Kursraum der Villa Media (freundlicherweise kostenlos für die gute Sache zur Verfügung gestellt, wofür ich mich hier herzlich bedanke!) saß – nein, leider nicht in der Cocktailbar, sondern nebenan. In der Gruppe gab es mehrere pensionierte Lehrer_innen, zwei junge Lehrerinnen, gerade mit dem Studium fertig, aber ohne DaF-Spezialwissen, und Leute aus ganz anderen Berufen. Wir alle hatten eine Gemeinsamkeit, nämlich das Engagement für Geflüchtete. Angesichts der vielen deprimierenden Hassäußerungen in den sozialen Netzwerken und im realen Leben tat es total gut, zu sehen: Mensch, es geht doch auch anders. Da sind ja ganz viele, die nicht alles negativ bewerten, die Freundschaften geschlossen haben mit Geflüchteten und die fremde Kulturen als Gewinn und nicht als Bedrohung empfinden.

Und wie so ein Gewinn aussehen kann, zeigte unsere Dozentin Nasanin, geboren in Afghanistan. Als sie drei Jahre alt war, flüchtete ihre Familie – Vater, Mutter, vier ältere Schwestern und sie als jüngstes Kind – nach Deutschland. Und heute unterrichtet Nasanin Deutsch als Fremdsprache, ist Dozentin und engagiert sich im Verein Deutsche Sprache e.V. Ich bin mir sicher, dass ganz viele Kinder, deren Familien in den letzten Jahren wegen Krieg, Terror und Verfolgung nach Deutschland geflüchtet sind, ebenfalls die Chance auf Integration, Bildung und eine gute Ausbildung nutzen werden – wenn wir alle dabei helfen, ihnen diese Chance zu geben! Was die Sprache anbelangt, haben es die Kinder natürlich deutlich leichter als Erwachsene, sie lernen schnell und ganz anders, als ihre Eltern. Für die meisten Erwachsenen bedeutet das Deutschlernen harte Arbeit und eine ungeheure Leistung, vor allem für Menschen, die eine anderere Schrift benutzen. Nasanin zeigte uns anhand zweier Übungen in ihrer Muttersprache Dari, einer afghanischen Variante des Persischen, wie schwierig es ist, sich Wörter und dazu noch fremdartige Buchstaben einzuprägen. Diese Leistung, eine neue Sprache UND eine neue Schrift zu erlernen, müssen viele Geflüchtete aus dem arabischen Sprachraum vollbringen. Andere sind komplette Analphabeten ohne Schulbildung oder können kaum schreiben und lesen, weswegen die Alphabetisierung auch Kursthema war.

Es war ein kurzweiliges, lehrreiches und sehr praxisorientiertes Weiterbildungsangebot, das mir Ende 2015, als ich ca. 3 Monate „Plötzlich Deutschlehrerin“ war, sehr geholfen hätte. Schade, dass die Mühlen des BAMF dann doch auch hier so langsam gemahlen haben und es das Angebot erst seit einem halben Jahr gibt. Dies war einer der letzten Termine. Danach gilt es wieder, neue Fördermittel für das Projekt zu beantragen.  Ich hoffe und wünsche sehr, dass sie bewilligt werden.

Integration und so: 1 Jahr nach dem großen Willkommen

© 2015 Willkommen in Cronenberg | Laufgruppe

©Willkommen in Cronenberg | Laufgruppe

Würde man mich fragen, wie es denn so klappt mit der Integration, könnte ich im Brustton der Überzeugung behaupten: Ich kann nicht klagen, läuft. Rund 20 arabisch-syrische Vokabeln habe ich schon gelernt, und ein bis zwei Wörter, darunter danke (shukran), kann ich auch in arabischer Schrift erkennen – nicht wirklich lesen, aber ich habe mir die Abfolge der Zeichen eingeprägt. In meinen Vorratsschränken ist stets arabisches Fladenbrot (Chubz) in ausreichender Menge zu finden. Ich kann nach Kardamom duftenden Kaffee nach syrischer Art aus Kaffeepulver mithilfe einer Herdkanne kochen. Ich bin in der Lage, Hummus frisch zuzubereiten und gebe meinem Kind in die Schule Chubz-Sandwiches mit Olivenöl und Zatar mit.

Aber darum geht’s natürlich nicht, es geht um diejenigen, von denen Deutschland erwartet, dass sie sich doch bitte integrieren. Wenn ich das höre und lese, muss ich echt an mich halten – Integration zu fordern, aber zugleich Integrationswilligen oft gar nicht die Möglichkeit dazu zu geben, das ist schon verwegen. Ein Jahr ist vergangen, und der integrationswilligste Syrer, den ich kenne, hat immer noch keinen Asylbescheid, und somit offiziell immer noch keine Berechtigung, an einem Sprachkurs teilzunehmen, bzw. dann ist es ja eine Verpflichtung.  Und erst dann werden die Kosten dafür übernommen. Dass er trotzdem einen Kurs besucht, hat das Bündnis ermöglicht. Er hat immer noch keine uneingeschränkte Arbeitserlaubnis, obwohl er eine Vollzeitstelle (!) haben könnte und dann nicht mehr angewiesen wäre auf die Gnade der Beihilfe. Stattdessen legt ihm die deutsche Bürokratie lieber haufenweise Steine in den Weg, eines Sisyphos würdig. Und er ist ja nur einer von so vielen, denen es nicht besser ergeht, aber eben einer, dessen Alltag in Deutschland ich seit einem Jahr miterlebe.

Auf den Tag genau vor einem Jahr haben sich viele Wuppertaler vor dem Schulzentrum auf den Südhöhen versammelt, um hunderte Geflüchtete freundlich zu empfangen. Die angekündigten Busse kamen aber nicht, und darum gingen wir Küllenhahner, Cronenberger, Südstädter und andere, die gewartet hatten, wieder nach Hause – um am nächsten Tag wiederzukommen. Denn am 9. September 2015 rollten sie dann an, busladungsweise wurden Leute hierher transportiert, in unsere Nachbarschaft. Später meinten einige Zeitgenossen, das sei ja wohl peinlich gewesen. Diese ganze bescheuerte Willkommensheißerei sei absurd und nichts anderes.

Heute weiß ich, dass die Menschen in den Bussen sich freuten, dass es ihnen gut tat, in lächelnde Gesichter zu schauen. Die meisten hatten schon ganz anderes erlebt auf ihrer Flucht, hatten mehrere Bundesländer kennengelernt, waren innerhalb Deutschlands schon von einer zur nächsten Stadt gekarrt worden, von Süden nach Norden, Osten und Westen, ohne zu wissen, warum, wohin – und wann sie endlich irgendwo angekommen wären. Jetzt waren sie zunächst einmal hier in Wuppertal Cronenberg angekommen, wohnten vorübergehend in Sporthallen, dann in einer eilig hergerichteten Notunterkunft an der Hastener Straße. Cronenberger schlossen sich in kürzester Zeit zu einem Bündnis zusammen, es fand Sprachunterricht statt, eine Kleiderhalle wurde eingerichtet, ein Lauftreff organisiert und vieles mehr.

Böse oder zumindest kritische Zungen meinten damals, ja, das sei sowohl bei uns in Cronenberg als auch bundesweit alles nur eine kurzlebige Hilfsbereitschaftswelle, die würde bald schon abebben, die Ernüchterung auf dem Fuße folgen. Aber dem war nicht so, im Gegenteil. Ich weiß von so vielen Kontakten und Freundschaften, die damals entstanden sind und andauern. Und wenn ich einige lamentieren höre, von Überfremdung, Islamisierung, Flüchtlingswellen und das sei ja alles unschaffbar, denke ich, merkwürdig, wie unterschiedlich doch die Wahrnehmung und das daraus resultierende Tun sein kann. Die einen fühlen sich bedroht, gehen auf Abstand, reden von Burkas, ohne überhaupt jemals einer Frau mit Burka live begegnet zu sein; die anderen schließen Freundschaften, einfach so. Weil man sich nett findet, zum Beispiel. Ich wünsche mir sehr, dass es viel mehr Verbindungen gäbe zwischen Deutschen und Geflüchteten, schon allein, um Merkels „Wir schaffen das“ wahr werden zu lassen. Denn zu sagen, schaffen wir nicht, heißt, wir schaffen das nicht, weil wir nur zuschauen und abwarten. Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Jetzt heißt es neuerdings „Deutschland bleibt Deutschland.“ Mit allem, was uns daran lieb und teuer ist und so, sagt Frau Merkel noch dazu. Ja, das will ich doch schwer hoffen. Nicht auszudenken, ein Deutschland ohne Chubz, ohne Zatar, ohne Hummus und ohne „marhabaan“ in den Straßen, das übrigens nicht nur „Hallo“ heißt, sondern auch „Herzlich willkommen“.

Sommer, Sonne und syrischer Humor …

… oder wenn in Deutschland die Hüllen fallen.

Clemensfranz | Villa Romana del Casale Bikini Maedchen. CC BY 2.5

Clemensfranz | Villa Romana del Casale Bikini Maedchen. CC BY 2.5

Als ich letztens meine syrischen Freunde um die Mittagszeit besuchte, war es sehr heiß. Die Sonne knallte gnadenlos, ich trug einen luftigen knielangen Rock und Spaghetti-Top. Solche Kleidung ist modernen Syrern aus Damaskus nicht fremd, haben sie alle schon mal gesehen, auch vor ihrer Flucht nach Deutschland. Aber die letzte Woche mit Temperaturen über 30° hat dann doch dazu geführt, dass der muslimische Mann als solcher kaum noch wusste, wo er hingucken sollte. So viel nackte Frauenhaut, das war definitiv eine leichte Überforderung. Ich kann das nachempfinden, denn auch ich ertrage den Anblick entblößter haariger Männerbeine und quellender nackter sonnenverbrannter Männerbäuche nur schlecht. Aber bitte, natürlich darf und soll jede_r tragen oder sich vom Leibe reißen, was sie oder er möchte – schön oder auch nur akzeptabel finden muss ich es nicht. Dennoch käme ich niemals auf die Idee, einer jungen oder auch nicht mehr so jungen Frau, die meint, mit kaum mehr als einer Unterhose bekleidet durch die Stadt spazieren zu müssen, da hineinzureden. Und ebenso wenig Bekehrungslust verspüre ich gegenüber einer Frau mit Kopftuch und Ganzkörperverhüllung. Die Burka, über die gerade so viel geredet wird, ist mir noch nie über den Weg gelaufen. Und Männer in Sachen Kleiderordnung bekehren zu wollen, ist eh zum Scheitern verurteilt, oder hat ein einziger Mann jemals trotz Insistierens von außen seine Socken im Sommer ausgezogen, nur weil er Sandalen trug?

Ich kann nicht verstehen, warum angesichts der wahren Probleme in der Welt Kleidung die Gemüter so erregen kann – es sei denn, man möchte von eben diesen wirklichen Problemen ablenken. Wer über Burkas und die westlichen Werte debattiert, muss sich nicht mehr mit Kriegsverbrechen und Verantwortungen beschäftigen. Da trifft es sich doch gut, dem Volk eine Burka hinzuwerfen, mit der sich die eigentlichen Missstände und die eigene Verantwortungslosigkeit verschleiern lassen. Ich empfehle an dieser Stelle ganz ausdrücklich die Lektüre des Buches „Wer den Wind sät“ von Michael Lüders, einfach nur mal, um runterzukommen von dem hohen westlichen Ross.

Die Unaufgeregtheit und den Humor meines besten syrischen Freundes wünschte ich mir auch für uns Deutsche. Nachdem er mir erzählt hatte, wie verrückt er es findet, dass hier im Sommer alle halbnackt herumlaufen, meinte er augenzwinkernd: Aber Gott sei Dank, Alhamdulillah الحمد لل, Gott hat den deutschen Sommer kurz gemacht, eine Woche, fertig. Danach ziehen sich alle wieder Mantel, Mütze, und Schal an. 11 Monate Winter, wallah, والل. 😉

„Wenn Du Dich reinhängst, dann wird hier was aus Dir.“

textAsylbewerber, Integration und Arbeitserlaubnis, oder:
Wie die Agentur für Arbeit das Arbeiten erschwert

Es wurde so einiges beschlossen heute, im neuen Integrationsgesetz. Herr Gabriel soll gesagt haben, die Botschaft des Gesetzes an die Geflüchteten sei: „Wenn Du Dich reinhängst, dann wird hier was aus Dir.“ (Quelle: tagesschau.de). Fördern und fordern will die Regierung. Beim Fördern ist indes noch sehr viel Luft nach oben, während das Fordern schon ganz gut klappt. Wie das in der Praxis zum aktuellen Zeitpunkt für Asylbewerber in NRW aussieht mit dem Reinhängen? Nun, es ist eher ein Strampeln, Zappeln und völlig in der Luft hängen, wenn man z. B. als Flüchtling aus Syrien in Wuppertal arbeiten möchte.

Man könnte es sich als Asylbewerber, der seit 8 Monaten auf seine Anhörung in Düsseldorf wartet und nach wie vor lediglich die inzwischen zwei Mal verlängerte BÜMA vorweisen kann, sehr einfach machen und einfach gar nichts tun. Denn Integrationskurs? Fehlanzeige, da die Kostenübernahme nicht gesichert ist. Gibt’s erst ab Asylbescheid, aber nur theoretisch, denn die Wartelisten sind lang. Oder Arbeiten, obwohl etwaiger Arbeitslohn eh bis auf 100 Euro einbehalten wird? Wenig attraktiv, aber ja, ich kenne mindestens einen jungen Syrer mit guter Bleibeperspektive, der genau das will: Arbeiten. Abzüge sind ihm egal, Hauptsache Arbeiten. Er hat langjährige Gastronomie-Erfahrung in seiner Heimat, aber keine Ausbildung, die hier anerkannt wird. Er hat bereits ein 6-wöchiges Praktikum in einer Werkskantine absolviert, wo er den Laden gerockt hat. Alle waren begeistert, das Zeugnis ist top. Ach ja, nebenbei hat er auch noch, statt schicksalsergeben nichts zu tun, einen Inlingua-Sprachkurs – in den er dank einer fähigen Sozialarbeiterin gerutscht ist – erfolgreich mit Zertifikat A1 beendet. Und natürlich auch die unerlässliche Hygieneschulung mitgemacht. Er hängt sich rein, ja, liebe Regierung.

Und nun hat sich die Chance auf einen Minijob im Küchenbereich eines Catering-Unternehmens ergeben, ab Mitte Juni. Cool, Vorstellungsgespräch: alles okay, passt. ABER: Er darf ja nun nicht einfach arbeiten, nein, das wäre zu einfach, er muss sich schon noch etwas mehr reinhängen. Und auch der potenzielle Arbeitgeber, der es vielleicht jetzt schon bereut angesichts des ganzen Papierkrams: Denn er darf den Arbeitswilligen nicht einfach einstellen, oh nein. Er muss erst eine Stellenbeschreibung der Agentur für Arbeit ausfüllen, ggf. sogar noch ausführlich begründen, warum er keinen ggf. bevorrechtigten Kandidaten einstellt, sprich einen Deutschen oder EU-Staatsangehörigen oder Ausländer mit Niederlassungserlaubnis oder irgendeinen anderen ausländischen Arbeitnehmer. Das letzte Glied in der Kette ist also der leider immer noch auf Anhörung und Asylbescheid Wartende.

Ist der potenzielle Arbeitgeber noch nicht abgeschreckt und füllt das alles brav aus, dann ist diese Stellenbeschreibung zusammen mit dem Antrag auf Erlaubnis einer Beschäftigung, die der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit bedarf, bei der Ausländerbehörde abzugeben – zusammen mit noch so ein paar Kleinigkeiten wie Nachweisen über Schulabschluss, Qualifikation und Vorbeschäftigungszeiten. Was man halt so als integrationsbereiter Flüchtender üblicherweise wasserfest im Rucksack verpackt. Von da geht es zur Bundesagentur für Arbeit, und nein, man kann es NICHT direkt, um Zeit zu sparen, zur Bundesagentur für Arbeit schicken. Der Umweg ist nötig, damit auch garantiert erst nach mindestens 2 bis 4 Wochen der Bescheid kommt. Ganz pfiffig, so hängt man richtig lange in der Luft, übrigens auch der Arbeitgeber, der ja  nun nicht weiß, ob sein Wunschkandidat überhaupt wirklich Mitte Juni antreten darf.

Denken wir mal positiv und nehmen an, es klappt. Dann muss das Amt für wirtschaftliche Hilfe informiert werden, damit die Leistung entsprechend gekürzt oder eingestellt wird. 100 Euro Freibetrag bleiben großzügigerweise – dafür kann man sich schon mal etwas reinhängen, oder?

Aber es gibt Hoffnung im neuen Gesetz bezüglich der Vorrangprüfung, wobei die kleine fiese Klausel für Wuppertal die Hoffnung doch wieder schmälert (Quelle: tagesschau.de):

Die Regelung, wonach Flüchtlinge nur dann einen Job annehmen können, wenn kein geeigneter Bewerber aus Deutschland oder der EU zur Verfügung steht, soll für drei Jahre ausgesetzt werden. Das gilt allerdings nur für Regionen mit unterdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit.

… Und für B. kommt die Änderung eh zu spät. Da hilft nur mal wieder der unerschütterliche Glaube, dass wir noch immer alles irgendwie geschafft haben …

UPDATE 2022: Nach Putins sogenannter „Militärischer Spezialoperatin“, wie er den kriegerischen Einfall seiner Truppen in die Ukraine irreführend nennt, ist das Thema Flüchtlingshilfe leider wieder so aktuell wie 2015. Glücklicherweise haben die ukrainischen Geflüchteten in Deutschland sofort einen besseren Status als die syrischen Geflüchteten, da sie kein Anerkennungsverfahren durchlaufen müssen. Aus diesem Anlass verlinke ich hier auf ein PDF zum Thema Asylrecht in Deutschland. Leitfaden“ – bereitgestellt vom VFR Verlag für Rechtsjournalismus GmbH für das Infoportal anwalt.org.

Mit dem Mietvertrag geht es weiter …

Syrisches Festmahl

Syrisches Festmahl

Was aus der Wohnungssuche geworden ist? Nun, der Mietvertrag, der im Beitrag Helfen bei der Wohnungssuche schon fast sicher zu sein schien,wurde leider nicht abgeschlossen. Und zwar nur aus einem Grund: Der Eigentümer der Wohnung hatte schlichtweg keine Lust, den Antrag für die Freistellung vom Wohnberechtigungsschein für öffentlich geförderte Wohnungen zu unterschreiben. Alles war vorbereitet, die Genehmigung zugesagt, aus der Freistellung hätte sich nicht der geringste Nachteil für den Vermieter ergeben. Als ich freitags hoffnungsvoll bei der Hausverwaltung anrief und man mir wenig bedauernd mitteilte, dass es keinen Abschluss geben würde, flossen bei mir fast die Tränen vor Enttäuschung – und vor Wut über diesen Wohnungseigentümer. So dicht davor, und dann das! Am allerschlimmsten war es, Bilal die Hiobsbotschaft überbringen zu müssen. Er nahm es gefasster auf als ich. Mich plagte die Vorstellung, dass jetzt alles wieder von vorn losgehen würde, die ganze umständliche Prozedur!

Freitag ist aber der Tag, an dem das „Blättchen“ bei uns im Briefkasten liegt. Die Wochenzeitung fürs „Dorp“ und die obere Südstadt heißt eigentlich Cronenberger Woche. Darin finden sich auch immer ein paar Immobilienanzeigen, ganz altmodisch mit Telefonnummer. Und so hängte ich mich ans Telefon, sagte mein Sprüchlein auf und das Wunder geschah: Ich geriet an einen waschechten Ur-Cronenberger mit Herz und freiem Apartment. Besichtigungstermin ausgemacht, gepflegtes Haus mit vier Parteien, Bushaltestelle in der Nähe, Wohnung zwar wirklich winzig, aber renoviert, der Schnitt ganz pfiffig, passte! Mietvertrag zum 15. Januar abgeschlossen. Inzwischen ist die Wohnung schon fast komplett eingerichtet und am Wochenende waren wir zum syrischen Essen eingeladen. Der Tisch bog sich unter all den Köstlichkeiten. Es war der Wahnsinn, wir kugelten nach stundenlangem Gelage gefühlte 5 kg schwerer heimwärts. DANKE!

Der zweite Streich muss auf dem Fuße folgen, denn auf der To-do-Liste ganz oben steht jetzt die Wohnung für B.s Freund. Da sieht es im Moment so aus, dass eine Wohnungsbesichtigung stattgefunden hat und eine Selbstauskunft abzugeben ist. Ich ergänze diese Auskunft noch um eine Art „Referenz“, in der ich mich und mein Engagement für diesen Asylsuchenden vorstelle, mich als Ansprechpartnerin zur Verfügung stelle und erkläre, warum aufgrund des besonderen Status Angaben zu Beruf und Arbeitgeber derzeit nicht möglich sind und dass die Bankverbindung erst später nachgetragen wird, da abweichend von der Bankverbindung des Mieters.

Nun aber noch ein paar allgemeine Tipps für andere Menschen, die Geflüchteten in Wuppertal (und natürlich auch andernorts) bei der Wohnungssuche helfen, solange noch keine 3-jährige Anerkennung als Flüchtling vorliegt. (Ab Anerkennungsbescheid ist das Jobcenter bzw. hier in Wuppertal ZEBERA (UPDATE: ab 2018 Haus der Integration, Friedrich-Engels-Allee) zuständig und die Abläufe und auch die Zuschüsse ändern sich.)  Folgendes ist zu tun, wenn ein Mietverhältnis zustande kommt:

  1. Das Ressort Zuwanderung und Integration der Stadt Wuppertal vergibt beim Termin für die Genehmigung der Wohnung gleich einen Anschlusstermin ca eine Woche später, an dem der Mietvertrag vorgelegt werden muss.
  2. Der abgeschlossene Mietvertrag bildet dann die Grundlage für die konkrete Zahlungsübernahme von Miete und Kaution frühestens ab Datum des offiziellen Mietbeginns direkt an den Vermieter.
  3. Für die Wohnungseinrichtung gibt es einen Zuschuss, der bar ausgezahlt werden kann. Unbedingt nachfragen, falls nicht von allein darauf hingewiesen wird. Der Zuschuss hilft sehr, die am dringendsten benötigten Einrichtungsgegenstände und Haushaltgeräte (gebraucht) zu kaufen.
  4. Innerhalb einer Woche ab Beginn des Mietvertrags ist die Ummeldung beim Einwohnermeldeamt zu erledigen. Die dazu erforderliche Bescheinigung wird vom Vermieter zusammen mit dem Mietvertrag ausgehändigt.
  5. Es muss schnellstmöglich ein Vertrag mit einem Strom- und ggf. auch mit einem Gasanbieter geschlossen werden. Die Sachbearbeiter im Ressort Zuwanderung und Integration der Stadt Wuppertal empfehlen die hiesigen WSW (Wuppertaler Stadtwerke). Finde ich aber auch okay, weil man das dann direkt in einer Geschäftsstelle regeln kann. Ist der Vertrag abgeschlossen und vom Ressort bewilligt, werden die Abschläge monatlich direkt an den Energieversorger gezahlt.