Jump, Tuffi, jump!

TUFFI INTERNATIONAL:
chinesische und englische Ausgabe ab 8. 12. 2012

Im Sommer 2010 erschien meine Geschichte über die Abenteuer des Elefantenmädchens Tuffi, das auf den Tag genau 60 Jahre zuvor aus der fahrenden Schwebebahn in die Wupper gesprungen war. Ich freue mich sehr, dass bald auch der chinesisch- und englischsprachige Nachwuchs lesen oder sich vorlesen lassen kann, was damals in Wuppertal geschah.

 

 

 

Am Samstag, 8. Dezember 2012 ab 13:00 Uhr
stellt der Verlag in der Wuppertaler Buchhandlung
Köndgen am Werth 79 bei passenden Tee- und Gebäckspezialitäten die zwei druckfrischen internationalen Fassungen des Bilderbuchs vor. Xiongyin Shao und Catherine Lauer-Walker interpretieren die Geschichte völlig eigenständig und auf unterschiedliche Weise. Außerdem enthalten die  übersetzten Bücher zwei neue Tuffi-Illustrationen von Ariane Rudolph – mit Schwebebahn und Engels-Haus!

Zur Detailansicht und für Onlinebestellungen der chinesischen und englischen Tuffi-Ausgaben: Shop der Edition Köndgen (innerhalb Deutschlands versandkostenfrei)

 

Tuffi in chinesischer Sprache – neu erzählt für den asiatischen Kulturkreis

飞 一只
大象的神奇故事

Namen haben in China einen Stellenwert, der weit über den eigentlichen Wortlaut hinausgeht. Xiongyin Shao wollte bei ihrer Namensschöpfung Klang und Bedeutung von Tuffi zu einem harmonischen Ganzen verbinden. Auch bei der Übersetzung der Verse ging es ihr um mehr als eine einfache Nacherzählung. Ihr Ziel war es, die Geschichte für den chinesischen Kulturkreis nachvollziehbar zu interpretieren. Entstanden ist am Ende ein eigenständiges Werk – angefangen vom chinesischen Namen für Tuffi „Der Elefant, der zu fliegen versuchte“, bis zur poetischen Fassung des Textes. Sehr wichtig war es Xiongyin Shao, in einer für Kinder verständlichen, klaren Sprache zu schreiben und den „schönen Geist der Geschichte“ zu bewahren. Chinesische Touristen, die auf den Spuren Friedrich Engels Wuppertal und Barmen erkunden, können ihren Kindern ab Dezember 2012 ein „elefantastisches“ Souvenir aus der fernen Schwebebahnstadt mitbringen.

Xiongyin Shao wurde am 17.03.1969 in Hunan V.R.China geboren und besuchte nach der Schulausbildung die Universität in Changsha, der Hauptstadt Hunans. Bereits als Schülerin übernahm sie Aufgaben in der Redaktion des Schulmagazins.

1989 reiste sie im Rahmen eines Austauschprogramms nach Deutschland, wo sie zunächst die deutsche Sprache erlernte und anschließend in Münster und Köln Dolmetschen und Übersetzen studierte. 1995 absolvierte sie ein Zweitstudium in England. Als Studentin schrieb sie Reiseberichte für „Da Gong Bao“ eine renommierte Zeitung in Hongkong.

Nach dem Studium war sie einige Jahre lang im Vertrieb bei einer taiwanesischen IT-Firma beschäftigt, bevor sie die Projektleitung für Siemens Mobile Phone Deutschland und Shanghai übernahm. 2006 kam ihr Sohn zur Welt. Seit 2008 lebte sie mit ihrer Familie in Wuppertal. Ihre liebsten Hobbys waren – neben dem Schreiben – Yoga und Singen. 2012 starb sie nach schwerer Krankheit.

Tuffi in englischer Sprache – mit viel Gefühl und  „very british“

„We in Wuppertal all know her story. She will live on in all her glory.”

Catherine Lauer-Walker beweist mit ihrer Übersetzung, wie perfekt sich typisch britischer Humor mit der elefantastischen Geschichte des schwebenden Elefantenmädchens kombinieren lässt. Ihr gelang das Kunststück, die Versform beizubehalten und ein englischsprachiges Poem zu schaffen. Die Originalfassung diente ihr als Inspirationsquelle für köstliche eigene Wortschöpfungen wie „flappy ears“ oder „sweetie-pie“. Die gebürtige Schottin nahm sich mit viel Vergnügen des Stoffs um Wuppertals berühmtesten Elefanten an und brachte eigene Ideen ein. So erwartet die Leser oder Vorleser keine simple Übersetzung von der Stange, sondern eine einfallsreiche Maßanfertigung, die bis ins kleinste liebevolle Detail auf das unternehmungslustige Rüsseltier zugeschnitten ist.

Catherine Lauer-Walker wurde am 15.10.1948 in Airdrie in Schottland geboren. Schon im Gymnasium zeichnete sich ihre Liebe zur Sprache ab und sie schrieb unter anderem Gedichte für das Schulmagazin.

Nach dem Schulabschluss kam sie 1968 nach Deutschland, wo sie zunächst in einem Seniorenheim in Düsseldorf arbeitete und die deutsche Sprache erlernte. Es folgten eine Ausbildung zur Auslandskorrespondentin und ein Anglistik- und Übersetzerstudium mit dem Schwerpunkt Literatur, das sie 1978 erfolgreich abschloss. Studienbegleitend war sie als Lehrerin bei der VHS Wuppertal tätig.

Nach dem Studium eröffnete sie ihre „Private English School“ für Erwachsene, die ihre Englischkenntnisse auffrischen oder vertiefen möchten. Firmen bietet sie darüber hinaus auch fachspezifische Unterrichtsthemen vor Ort an. Ob das Üben entspannter „English Conversation“, anspruchsvolle „Business Discussion“ in kleinen Gruppen oder allein oder mehr Sicherheit bei Zweifelsfällen der englischen Grammatik – Lernen bei und mit Catherine Lauer-Walker ist alles andere als staubtrocken. Mit ihrer selbst herausgegebenen Audio-CD „Tailor-made for you!“ macht sogar das Pauken der meist ungeliebten englischen Zeitformen Spaß.

In ihrer Freizeit schreibt Catherine Lauer-Walker Gedichte und Geschichten, malt, zeichnet und fotografiert gern. Sie liebt Katzen, Schottland, ihre Sprache und vor allem den Umgang mit Menschen.

Ein Buch mit Geschichte(n): Jubiläumsbecher in der Busspur

2004 war ein besonderes Jahr: Es war das Jahr, in dem ich mich in einem äußerst kuscheligen inhabergeführten Laufforum anmeldete und dort Heidi Schmitt alias Frauschmitt begegnete. Vielmehr nicht ihr selbst, sondern ihrer sehr speziellen Art der Laufberichterstattung.

„Out of Egelsbach“, das ist die erste von vielen „Laufgeschichten aus der Provinz und von Anderswo“, die nun druckfrisch, aber bereits gebührend mit Kaffee und Streuselkuchen bekleckert, in Form des Buches „Jubiläumsbecher in der Busspur“ einen Platz in meinem Bücherregal gefunden haben. Wobei die Provinz von Egelsbach über Kelkheim Hornau bis Stierstadt reicht, das Anderswo überwiegend Frankfurt, New York und Bauchbeinepo meint. Fest ins Läuferherz geschlossen hatte ich die meisten der Erzählungen schon lange vor Erscheinen des Buches – umso mehr freut es mich, nochmals einzutauchen in „Die ganze Welt des Laufens“, die sich mitunter in einem einzigen Halbmarathon, immer aber in einem „Monolog mit Biber“ offenbaren kann.

Die Buchform wird den völlig unterschiedlichen, aber trefflich amüsanten Laufgeschichten unbedingt gerecht, denn da gehören sie hin: zwischen zwei Buchdeckel, appetitlich angerichtet mit diversen Perlen der wohlverdienten Läuferverköstigung zur energetischen Neuaufladung. Zum Dessert macht Heidi Schmitt erst „Schluss mit Esoterik“ und reicht alsdann ein paar erbauliche Limericks nach, mit denen Läufer aus Degerloch, Seesen, Grimmen, Minden und anderen Metropolen sich darüber hinwegtrösten können, nicht zur Provinz zu zählen.

Wie die geneigte Leserin (und der geneigte Leser) dieser Rezension sicher mittlerweile gemerkt hat, geht das Ganze in Richtung Kaufempfehlung. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dies Laufbuch habe einen Platz auf der Laufbuch-Bestsellerliste im Bereich Non-Training verdient. Obwohl von einer Frau geschrieben und mit ein paar wenigen eher frauenspezifischen Betrachtungen zum „Schenkeln“ bestückt, sollten es getrost auch Männer kaufen, bzw. Frau kann es ihnen unbesorgt schenken. Es gehört definitiv nicht in die Rubrik rosa Puschel, selbst wenn Puschel darin eine Nebenrolle spielen. Es kommen auch keine Vampire vor und niemand redet mit seiner inneren Göttin. Es ist also eine klare Empfehlung wert! Für LäuferInnen, für Leute, die LäuferInnen kennen, für Leute, die der Faszination des Dixieklos erlegen sind und für Leute, die gute Kurzgeschichten mögen.

Heidi Schmitt
Jubiläumsbecher in der Busspur
Laufgeschichten aus der Provinz und von Anderswo.
ISBN: 3848222523
EAN: 9783848222520
Paperback
Books on Demand
November 2012 – kartoniert – 180 Seiten

 

Frauschmitts Katze ist aus dem Sack

… oder von Blättern im Spätherbst

Meine werte Kollegin Claudia aus dem „Bestellbuch“ wird am Montag auf ihrem Schreibtisch einen Zettel vorfinden. Der ist von mir, ich hatte am Samstag Dienst, bin in der nächsten Woche in einer anderen Filiale eingeteilt und wollte sie darum vorwarnen. Auf dem Zettel steht, so sinngemäß:

Liebe Claudi,

nicht wundern, in den nächsten Tagen kommt ein BoD-Buchstäpelchen Jubiläumsbecher in der Busspur. Bitte einen schicken Ehrenplatz im Sportregal freischaufeln, das sind Laufgeschichten, die werden nicht schlecht. Im Gegenteil, die werden abgehn wie Schmitts Katze. Außerdem wird es da noch eine Lesung geben, aber dazu später mehr!
LG
Manuela

 

Dazu muss man wissen, dass Print-on-Demand-Bücher (BoD) von Buchhändlern normalerweise nicht in Stapeln bestellt werden. Auf Kundenwunsch, ja, dann stellt man sie nach ca. 3 Tagen Lieferzeit ins Abholfach, kein Problem. Aber einfach so für den Laden? Nö. Hinterher werden die noch schlecht. Und als Buchhändler steht man dumm daher, denn es gibt  kein Rückgaberecht wie bei den großen Verlagen. BoD-Stapeltitel sind ganz gefährlich.

In diesem Fall brauchen wir Buchhändler nicht ängstlich sein, da bin ich mir sicher. Denn schließlich wird dies Buch ja laufen, geradezu tierisch abgehn, dann wird nachbestellt, Frauschmitt wird irgendwann gewiss bei uns lesen, dazu wird Streuselkuchen gereicht und überhaupt: Ich freue mich schon darauf, bald meine Rezension zu schreiben, was ich noch nicht tun kann, da ich es ja leider noch nicht gelesen habe. Ich hoffe aber auf einige bekannte Geschichten aus guten alten Laufforen-Tagen, ein paar zauselige Stinker, wahnsinnig viel Streuselkuchen und natürlich auf Neues. Leute, dies ist sozusagen nur der Vorgeschmack, da kommt noch was.

Nachtrag: Nun sieh mal einer an, dieser Artikel hat mich schlauer gemacht. Ich wusste es tatsächlich noch nicht, dank eines Kommentars von Frauschmitt (der aber leider verschollen ist, anscheinend ist die Kommentarfunktion hier aus unerfindlichen Gründen trotz richtiger Einstellungen und Freischaltungen nicht so ganz funktionsfähig) habe ich meine buchhändlerische Fachkompetenz schlagartig auf den neuesten Stand gebracht: Vom Barsortiment Libri bezogene BoD-Titel dürfen inzwischen ganz normal remittiert werden! Womit belegt ist, dass früher eben nicht alles besser war! Es lebe die Moderne, früher war das undenkbar, aber die Zeiten ändern sich und BoDs gehören nun auch im Buchhandel zum normalen Tagesgeschäft. Ha, da kann ich nun ja gnadenlos und ohne jegliche Restrücksicht auf Verluste Jubiläumsbecher in die Busspur werfen. Danke @ Frauschmitt für die Erleuchtung!

Im Bequemlichkeitsmodus nach Amazonien

Bibliopolium. Der Buchladen
(Wikimedia Commons)

Dümpelt der Buchhandel wirklich im Tal der Tränen? Gejammert und lamentiert wird jedenfalls viel, bei den Kleinen und bei den Großen nicht minder. Riesige Flächen scheinen ausgedient zu haben, selbst in attraktiven Innenstadtlagen kämpfen Filialisten mit Problemen. Die einst blühenden Ketten schließen, reduzieren Quadratmeter oder versuchen, Umsatzlöcher mit Shop-in-Shop-Systemen zu stopfen. Gehört die Zukunft tatsächlich dem Gemischtwarenladen mit Buchsortiment?

Auch wenn ich keine Buchhändlerin wäre, fände ich diese Entwicklung übel. Wenn ich in einen Bücherladen gehe, möchte ich vor allem und an erster Stelle Bücher sehen, viele viele verschiedene Bücher. Die dürfen auch in bunten Stapeln präsentiert werden, Stapel sind völlig okay, Und es dürfen auch gerne eReader, CDs und DVDs, ein paar Plüschtierchen und Spiele einträchtig vereint mit allerlei Tand in einer Buchhandlung feilgeboten werden – aber bitte doch nicht dominant das Buchsortiment in die Ecke verdrängend.

Der Amazonas gräbt den Buchhändlern jede Menge Wasser ab. Amazon funktioniert, weil Kunden bequem sind und der Onlinehandel diesen Bequemlichkeitsmodus perfekt unterstützt. Die Erwartungshaltung des modernen Onlinekunden ist: „Walle, walle, manche Strecke.“ Man kann alles scheinbar billig kaufen, schnellstens von irgendwo bis hinein in die gute Stube transportieren lassen und bei Nichtgefallen zurückschicken, ganz bequem und einfach. Da kann sich die Buchhandlung Köndgen am Rande der Fußgängerzone einen Ast dekorieren, die Schaufenster kunstvoll gestalten, über Partner-Shops sogar ebenfalls kostenlosen Online-Versand  von über 5 Mio. Artikeln nebst Service vor Ort anbieten: Der Amazonas überflutet uns.

Amazon leistet viel, das erkenne ich an. Und ist vor allem nach mittlerweile 14 Jahren Präsenz in Deutschland positiv besetzt: Amazon hat sich in den Köpfen der Zielgruppe – internet- und technikaffine Kunden – als günstiger Platzhirsch und Komplettversorger unter den Onlinehändlern etabliert. Bei neuen Büchern greift zwar nach wie vor die Buchpreisbindung, aber hinzu kommt neben Kindle & Co ein wunderbar umfangreiches Antiquariat für Schnäppchenjäger. Auch Verlage spüren die Macht Amazoniens, denn immer mehr Autoren publizieren inzwischen ihre Bücher sowohl in Papierform als auch elektronisch direkt über Amazon. Der SPIEGEL online betitelte vor rund einem Jahr einen Artikel im Kulturteil: „Amazon startet Offensive gegen Verlage“.

Ich habe natürlich auch schon bei Amazon bestellt. Sogar Bücher, und das, obwohl ich ja nun echt an der Quelle sitze. Aber ich verdränge nicht, dass ich mit jeder Bestellung ein gefräßiges System unterstütze, das langjährig gewachsene regionale Strukturen aussaugt. Für alle Annehmlichkeiten zahle ich letztlich einen weitaus höheren Preis als die Kaufsumme. Und darum kaufe ich lieber bewusst ein, gehe in Geschäfte und schaue mich dort aktiv um. Manchmal finde ich das Gesuchte nicht, dann bestelle ich es durchaus ohne schlechtes Gewissen im Internet. Ich mag das Internet, ich prangere es überhaupt nicht als böse an. Ich mag in gewissen Grenzen sogar Amazon, nicht aber diese Selbstverständlichkeit, mit der Amazon = allmächtig ist.

Textsklaven

Texten kann so viel mehr sein als SEO-optimierte, ansonsten sinn- und niveaulose, unterbezahlte Wortklauberei. Trotzdem wollte Frau Reimerlei mal wissen und am eigenen Leib spüren: Wie fühlt sich die moderne Textsklaverei an?

Es gibt diverse Portale, in denen sich Freiwillige tummeln und für erschütternd schlechte Bezahlung wie am Fließband zähen Textbrei zusammenrühren. Da fragte sich Frau Reimerlei zweierlei:

1.) Was erwartet der Kunde von solchen Texten?
2.) Was erwartet den Kunden dann in der Realität?

Die Antwort auf beide Fragen lautet:

Meist keine hohe Qualität …

Einmal als  „Autor“ beispielsweise bei Textbroker.de angemeldet, kann das Schicksal seinen Lauf nehmen. Neue Schreiberlinge müssen zunächst einen Text zwischen 150 und 180 Wörtern verfassen. Zwei Themen sind vorgegeben, Produktbeschreibung oder Werbung für eine touristische  „Destination“. Frau Reimerlei entscheidet sich für letztere Variante und schreibt zu mitternächtlicher Stunde einen relativ schludrigen Werbeartikel für die Metropole Bergisches Land, der schon tags darauf akzeptiert und mit drei von fünf Sternen bewertet wird. Dies sei eine vorsichtige Einschätzung, heißt es in der Begründung, zukünftig würden alle weiteren Auftragsarbeiten bewertet und somit würde dann steigende Qualität auch entsprechend honoriert.

Texter(innen)s Sternenwelten

Ein Stern würde übrigens nicht ausreichen, um angenommen zu werden. Zwei Sterne sind Minimum – und Frau Reimerlei möchte nicht wissen, wie schlecht man schreiben muss, um eine Zweisterne-Einstufung zu erhalten – die übersetzt  „mäßig“ heißt – und welchen Auftraggebern dies gut genug sein mag. Drei Sterne bedeuten „gut“, vier Sterne „ausgezeichnet“ und fünf Sterne „professionell“.  Aufträge für professionelle Texter gibt es dort auch, aber eher selten, den meisten reichen schlicht gestrickte Wortaneinanderreihungen mit genügend „Keywords“. Nachtrag 2014: Das war der Stand 2011, seither ist der Qualitätsanspruch der Textbroker-Kunden erheblich gestiegen, nicht zuletzt wegen der ebenfalls wachsenden Suchmaschinen-Intelligenz. 

Frau Reimerlei ist drin, und nun?

Nach der erfolgreichen Anmeldung schaut Frau Reimerlei sich einmal an, was an Aufträgen zur Auswahl steht. Wohlklingende Rubriken wie „Beauty“, „Shopping“, „Internet“ und dergleichen mehr. Vieles davon schon ab zwei Sterne billigst zu erstellen, anderes erst ab drei Sterne nicht wesentlich unbilliger. Ihre Wahl fällt auf die geheimnisvoll und immerhin etwas spannend erscheinende Überschrift  „Bitte selbst erstellen und kreativ sein“. Was mag sich dahinter verbergen? Frau Reimerlei klickt wild entschlossen auf den Button: „Ich möchte diesen Text schreiben“.

Für knappe 3 Euro Gage (pro Wort etwa 1 Cent) soll ein bereits bestehender Artikel mit Keywords versehen und aufgeplustert werden – aus 200 Wörtern Pressemitteilung mach 300, und das auch noch sinnvoll. Einmal angefangen, gibt es kein Zurück, obwohl schnell klar ist: Wenn so etwas halbwegs gut gemacht werden soll, bedarf es weiterer Recherche und lohnt den Aufwand überhaupt nicht. Es interessiert Frau Reimerlei aber immens, was mit diesem Billigheimer-Text nach Fertigstellung und Abgabe geschehen würde, und deswegen formuliert sie um und füllt auf, bis die gewünschte Anzahl an Wörtern erreicht ist und das Geschreibsel abgeschickt werden kann. Danach heißt es darauf zu warten, ob der Kunde das Ganze gnädigst akzeptiert, oder für weniger als 3 Euro etwa noch Nachbesserungen zu leisten sind. Aber glücklicherweise ist bereits am nächsten Mittag die Sache abgenommen – Text zur Zufriedenheit und irgendwo im Worldwideweb wohl auch zu finden. Nur wo? Das erfährt der Textsklave nämlich nicht. Frau Reimerlei, zwar häufig auf den Kopf gefallen, aber nicht ganz verdummt, befragt Meister Google, indem sie ihre Überschrift eingibt, und siehe da: Da ist er, ihr mühsam geschusterter Text: NETCologne erneut vom TÜV Rheinland ausgezeichnet.

Redundanter Schund

Wundert es da eigentlich noch irgend jemanden, dass eine extrem hohe Anzahl schlechter, fehlerhafter und von hinten bis vorn falscher Texte online verfügbar ist? Jeder will alles noch einmal aufgewärmt irgendwo stehen haben, bitte „unique content“, jawohl. Hier gilt die Devise: Es ist zwar schon alles geschrieben, aber noch nicht von jedem und noch nicht überall.

Everything counts in small amounts …

Das Beste an dieser Sache aber ist: Frau Reimerlei hat zwar knapp 3 Euro verdient, auszahlungsfähig sind jedoch erst Summen ab 10 Euro. Ist das nicht genial? Entweder die 3 Euro abschreiben, oder weiter als Sklavin schuften. Frau Reimerlei will das Experiment knallhart bis 10 Euro durchziehen. Der nächste Job: Die Startseite dieser im Aufbau befindlichen Internetpräsenz verlangt einen Begrüßungstext. Muss bis morgen fertig sein. Na klar, billig und schnell. Frau Reimerlei wäre dann mal weg… Wird sich aber dennoch den Begrüßungstext dieser Seite bei Gelegenheit anschauen, der bis zu 4 Euro wert ist! Und: Die Content-Konkurrenz schläft nicht! So erhält Frau Reimerlei die persönliche Einladung eines „Headhunters“ für 1-Cent-Texter der sehr ähnlich agierenden Firma Content.de, hat aber keinen Bedarf.

Es gibt zu denken, dass sich viele Texter bereitwillig auf solches oder ähnliches Preisdumping einlassen – gut nachzulesen im Forum von Textbroker – und nicht merken, dass sie damit quasi ihre Autorenseele und sich selbst unter Wert verkaufen. Man kann nur schlecht arbeiten zu diesen Konditionen. Man kann keine Qualität liefern. Man kann keine Füllwörter vermeiden. Man kann nicht mit Herzblut texten. Oder wenn man es doch tut, dann steigt die Unzufriedenheit mit jedem schlecht bezahlten Wort. Vielleicht ergibt man sich auch in sein Sklavenschicksal – Frau Reimerlei befindet sich noch in der Testphase.

Nachtrag I:

Mittlerweile ist der Reimerlei’sche Kontostand rasant angewachsen. Doch nicht nur die 10- Euro-Marke muss geknackt werden, nein, im Kleingedruckten ist nachzulesen:

Ihr Aktueller Kontostand: 6,87 €

Um eine Auszahlung beantragen zu können, muss Ihr Kontostand mindestens 10,00 Euro betragen. Die Auszahlungen erfolgen jeweils etwa zum 10. eines Monats. Die Beantragung muss spätestens zum 5. eines Monats erfolgen. Andernfalls wird der Betrag erst im darauffolgenden Monat ausbezahlt.

Tja, Pech gehabt, heute ist der 5. des Monats. Wenn das alles nicht so armselig wäre, könnte es ja fast erheiternd sein. Für 6,87 Euro ist neben der NetCologne Geschichte noch ein Text zum Melitta-Mann entstanden, einer zum wunderbaren Thema Jahresabschluss und zuletzt einer zum Thema Fair Trade Kaffee. Na dann mal Prost!

Nachtrag II (August 2011):

Die Langzeitstudie läuft weiter – und die mittlwerweile in den 5-Sterne-Himmel aufgestiegene Frau Reimerlei muss sich für einige wenig nette Formulierungen, besonders im Hinblick auf die ausgesprochen angenehme Textbroker-Community und den persönlichen Autoren-Support, entschuldigen. Wer bei Textbroker schreibt und tatsächlich etwas dazu verdienen möchte, braucht drei D-Dinge: Disziplin. Durchhaltevermögen. Direct Orders. Dann kann man bei einem entsprechend hohen Wortpreis (den man bei Direct Orders ja individuell einstellen kann) z. B. saisonale Auftragsflauten abmildern.

Nachtrag III (Januar 2014):

Über die Jahre hat Frau Reimerlei einige der Menschen getroffen, die mit Textbroker zu tun haben. Autoren, aber auch die Leute in Mainz, die hinter den Kulissen für den Ablauf zuständig sind. Es ist also keine anonyme Börse mehr, sondern man hat sich persönlich am Autoren-Tag kennengelernt, man hat miteinander telefoniert, ist über Facebook vernetzt und über die lange Zeit hat sich beim Portal selbst vieles zum Positiven geändert. So gibt es jetzt wöchentliche Auszahlungen (falls gewünscht), die Wortpreise wurden minimal erhöht und es sind 2013 TeamOrders eingeführt worden. Für diese Teams können sich Autoren nach Interessenslage bewerben. Der Wortpreis variiert sehr, ist aber aus Sicht der 2-,3- und 4-Sterne-Autoren höher als bei OpenOrders. Als 5-Sterne-Texterin verdiene ich bei Direct Orders meist mehr, sodass die Teams weniger interessant für mich sind. Wer gut schreibt und professionell arbeitet, also mit den Auftraggebern kommuniziert und zuverlässig liefert, kann bei Direct Orders durchaus Wortpreise von 10 Cent oder mehr verhandeln – dies ist jedoch die Ausnahme, die meisten 5-Sterne-Autoren bewegen sich im Bereich von 4 bis 8 Cent.Trotzdem: Der Anfang bleibt für neue Autoren schwer und jeder Text ist hart verdientes Brot. Wohlgemerkt: Trocken Brot. Denn für den Belag braucht es dann doch mehr als die Textbroker-Tätigkeit.

Nachtrag IV (Juni 2023):

Frau Reimerlei heißt nun offiziell Taltexte, Textbroker heißt weiterhin Textbroker – beide leben noch und haben sich sehr verändert. Ich schreibe inzwischen überwiegend Fiktionales, nämlich Krimis. Aber ich bin auch noch bei Textbroker aktiv. Die Anforderungen an guten nicht-fiktionalen Content wachsen und eine der größten aktuellen Herausforderungen ist die KI: Künstliche Intelligenz. Wer nun aber glaubt, Texte einfach einem Chatbot aus den digitalen Hirnwindungen leiern und so quasi ohne Aufwand in Sekundenschnelle Geld verdienen zu können, dem muss ich sagen (und dabei den guten alten Wilhelm Busch zitieren): Aber Täuschung war es leider! Wer dazu Genaueres erfahren möchte, dem empfehle ich die Lektüre meines aktuellen Blogbeitrags zum Schreiben mit KI.