Ich fühl mich so berufen!

Ich bin noch längst nicht fertig mit der heutigen Schreibarbeit, aber ich hatte noch keine Pause und mag mich nicht mehr konzentrieren, echt nicht. Ein Spaziergang, besser noch ein Lauf – beides könnte in Verbindung mit frischer Luft helfen, aber ich bin heute weicheiig und es regnet. Nicht so ein schöner sommerlicher Guss, nein, nur ekelhaft und zermürbend. Also bleibe ich hocken, brühe einen weiteren Kaffee und klicke wieder in die Fundgrube Textanien, meine Inspiration in Sachen Zeitverschwendung. Was soll ich sagen, es hat sich gelohnt. Seht und lest selbst die unfassbaren Zeilen einer oder eines wahrhaft Berufenen. Da kann ich als solide Handwerkerin doch mal gepflegt einpacken.

Der Duden-Korrektor moniert hier übrigens nur ein überzähliges Leerzeichen. Ein gutes Beispiel dafür, was der Korrektor NICHT kann … Er erkennt weder Holzstil noch Kommatadesaster noch sagt er uns zuverlässig, wann das nicht das, sondern dass heißen muss. Naja, ich hatte jetzt jedenfalls eine unterhaltsame Pause und mache weiter im Text. Denn gute Leistung, will. 🙂 (s.u.) Und vielleicht finde auch ich noch irgendwo und irgendwann im Leben meine Berufung.

Textanien-16.5.

 

Wenn ich mich teilen könnte …

Taltexte-1-2… dann wäre das ganz praktisch. Nun bin ich also an dem Punkt, kaum noch Zeit für regelmäßige Beiträge oder Facebookerei zu haben, geschweige denn, nur mal aus Spaß ein Sprüchlein oder Verslein rauszuhauen. Ich kann über Arbeit nicht klagen. Vielen Dank an dieser Stelle an so einige geduldige Kunden, die auch bereit sind, länger als sonst üblich zu warten. Ich bin eigentlich flott, aber gerade kommt alles auf einmal.

  • viele tolle Textaufträge
  • ein Buchprojekt
  • ein Websiteprojekt mit einem Partner
  • Semesteranfang an der Uni, d. h. mehr Arbeitsstunden in der Buchhandlung
  • Büchertische und Veranstaltungen

Aber es ist ja bekannt: Ebbe und Flut wechseln sich brav ab. Es wird auch wieder die Zeit kommen, in der ich nicht permanent das Gefühl habe, mich zweiteilen zu müssen.

90 Stunden keine Zeit …

Das nenne ich mal schlechtes Timing: Nun sind Website und Blog traulich vereint, frisch gewaschen & gebügelt und ich habe keine Zeit für neue Ein- geschweige denn Aufträge. Jedenfalls demnächst nicht, denn die kommende Woche steht ganz im Zeichen von 90 Stunden Nonstop.

Bücher Köndgen feiert – und das nicht zu knapp. Montag mache ich Büchertische für die Jubiläumsangebote fein. Was ich Dienstag mache, weiß ich noch nicht so genau, da habe ich mit etwas Glück sogar noch ein schmales Zeitfenster für extrem eilige Textaufträge.

Mittwoch bin ich morgens im Laden und abends kocht Udo Einenkel verführerisch vegetarisch – das darf ich mir nicht entgehen lassen. Gleich danach fällt der Rowling’sche Todesfall aus und Martin Hagemeyer liest um Mitternacht trotzdem, dann halt alles außer Rowling, es gibt also so eine Art Lese-Wunschkonzert, das darf ich mir dann ja auch nicht entgehen lassen.

Donnerstag bin ich morgens im Laden, nachts ist Wortwache mit lecker Bier – darf ich mir natürlich ebenfalls nicht entgehen lassen. Freitag habe ich morgens frei und nachts ist die Nacht der schönsten Bücher, also der nachweislich und hochoffiziell allerschönsten, die kann ich mir aber mal auf gar keinen Fall entgehen lassen. Samstag arbeite ich ab mittags, außerdem ist magische Kinderlesung mit dem Baumhaus, darf mein Jüngster sich keinesfalls entgehen lassen.

Und dann nähert sich das Ende der 90 Stunden mit der letzten Lesung, die ist von Annette Langen für junge Hasen Mädchen gedacht und darum bin ich nicht die Zielgruppe und könnte sie mir sogar ausnahmsweise entgehen lassen, aber da habe ich dann offiziell Dienst und feiere den Ausklang unserer Jubiläumswoche im Laden. Ach ja, und beinahe vergessen, es gibt ja dann auch immer noch den Lesegenuss nach Ladenschluss und Ladenöffnungszeiten von 6 bis 22 Uhr, also so rein texterisch betrachtet wird da wohl Heulen und Zähneknirschen sein. Aber sonst wird das lustig! 🙂

Einigen meiner regelmäßigen Textbesteller habe ich schon Bescheid gesagt, alle anderen bitte aufgepasst: Nächste Woche ist Ausnahmezustand und normal läuft es hier erst wieder ab dem 1. Oktober. Dann aber mit Vollgas, wie immer!

 

Textsklaven

Texten kann so viel mehr sein als SEO-optimierte, ansonsten sinn- und niveaulose, unterbezahlte Wortklauberei. Trotzdem wollte Frau Reimerlei mal wissen und am eigenen Leib spüren: Wie fühlt sich die moderne Textsklaverei an?

Es gibt diverse Portale, in denen sich Freiwillige tummeln und für erschütternd schlechte Bezahlung wie am Fließband zähen Textbrei zusammenrühren. Da fragte sich Frau Reimerlei zweierlei:

1.) Was erwartet der Kunde von solchen Texten?
2.) Was erwartet den Kunden dann in der Realität?

Die Antwort auf beide Fragen lautet:

Meist keine hohe Qualität …

Einmal als  „Autor“ beispielsweise bei Textbroker.de angemeldet, kann das Schicksal seinen Lauf nehmen. Neue Schreiberlinge müssen zunächst einen Text zwischen 150 und 180 Wörtern verfassen. Zwei Themen sind vorgegeben, Produktbeschreibung oder Werbung für eine touristische  „Destination“. Frau Reimerlei entscheidet sich für letztere Variante und schreibt zu mitternächtlicher Stunde einen relativ schludrigen Werbeartikel für die Metropole Bergisches Land, der schon tags darauf akzeptiert und mit drei von fünf Sternen bewertet wird. Dies sei eine vorsichtige Einschätzung, heißt es in der Begründung, zukünftig würden alle weiteren Auftragsarbeiten bewertet und somit würde dann steigende Qualität auch entsprechend honoriert.

Texter(innen)s Sternenwelten

Ein Stern würde übrigens nicht ausreichen, um angenommen zu werden. Zwei Sterne sind Minimum – und Frau Reimerlei möchte nicht wissen, wie schlecht man schreiben muss, um eine Zweisterne-Einstufung zu erhalten – die übersetzt  „mäßig“ heißt – und welchen Auftraggebern dies gut genug sein mag. Drei Sterne bedeuten „gut“, vier Sterne „ausgezeichnet“ und fünf Sterne „professionell“.  Aufträge für professionelle Texter gibt es dort auch, aber eher selten, den meisten reichen schlicht gestrickte Wortaneinanderreihungen mit genügend „Keywords“. Nachtrag 2014: Das war der Stand 2011, seither ist der Qualitätsanspruch der Textbroker-Kunden erheblich gestiegen, nicht zuletzt wegen der ebenfalls wachsenden Suchmaschinen-Intelligenz. 

Frau Reimerlei ist drin, und nun?

Nach der erfolgreichen Anmeldung schaut Frau Reimerlei sich einmal an, was an Aufträgen zur Auswahl steht. Wohlklingende Rubriken wie „Beauty“, „Shopping“, „Internet“ und dergleichen mehr. Vieles davon schon ab zwei Sterne billigst zu erstellen, anderes erst ab drei Sterne nicht wesentlich unbilliger. Ihre Wahl fällt auf die geheimnisvoll und immerhin etwas spannend erscheinende Überschrift  „Bitte selbst erstellen und kreativ sein“. Was mag sich dahinter verbergen? Frau Reimerlei klickt wild entschlossen auf den Button: „Ich möchte diesen Text schreiben“.

Für knappe 3 Euro Gage (pro Wort etwa 1 Cent) soll ein bereits bestehender Artikel mit Keywords versehen und aufgeplustert werden – aus 200 Wörtern Pressemitteilung mach 300, und das auch noch sinnvoll. Einmal angefangen, gibt es kein Zurück, obwohl schnell klar ist: Wenn so etwas halbwegs gut gemacht werden soll, bedarf es weiterer Recherche und lohnt den Aufwand überhaupt nicht. Es interessiert Frau Reimerlei aber immens, was mit diesem Billigheimer-Text nach Fertigstellung und Abgabe geschehen würde, und deswegen formuliert sie um und füllt auf, bis die gewünschte Anzahl an Wörtern erreicht ist und das Geschreibsel abgeschickt werden kann. Danach heißt es darauf zu warten, ob der Kunde das Ganze gnädigst akzeptiert, oder für weniger als 3 Euro etwa noch Nachbesserungen zu leisten sind. Aber glücklicherweise ist bereits am nächsten Mittag die Sache abgenommen – Text zur Zufriedenheit und irgendwo im Worldwideweb wohl auch zu finden. Nur wo? Das erfährt der Textsklave nämlich nicht. Frau Reimerlei, zwar häufig auf den Kopf gefallen, aber nicht ganz verdummt, befragt Meister Google, indem sie ihre Überschrift eingibt, und siehe da: Da ist er, ihr mühsam geschusterter Text: NETCologne erneut vom TÜV Rheinland ausgezeichnet.

Redundanter Schund

Wundert es da eigentlich noch irgend jemanden, dass eine extrem hohe Anzahl schlechter, fehlerhafter und von hinten bis vorn falscher Texte online verfügbar ist? Jeder will alles noch einmal aufgewärmt irgendwo stehen haben, bitte „unique content“, jawohl. Hier gilt die Devise: Es ist zwar schon alles geschrieben, aber noch nicht von jedem und noch nicht überall.

Everything counts in small amounts …

Das Beste an dieser Sache aber ist: Frau Reimerlei hat zwar knapp 3 Euro verdient, auszahlungsfähig sind jedoch erst Summen ab 10 Euro. Ist das nicht genial? Entweder die 3 Euro abschreiben, oder weiter als Sklavin schuften. Frau Reimerlei will das Experiment knallhart bis 10 Euro durchziehen. Der nächste Job: Die Startseite dieser im Aufbau befindlichen Internetpräsenz verlangt einen Begrüßungstext. Muss bis morgen fertig sein. Na klar, billig und schnell. Frau Reimerlei wäre dann mal weg… Wird sich aber dennoch den Begrüßungstext dieser Seite bei Gelegenheit anschauen, der bis zu 4 Euro wert ist! Und: Die Content-Konkurrenz schläft nicht! So erhält Frau Reimerlei die persönliche Einladung eines „Headhunters“ für 1-Cent-Texter der sehr ähnlich agierenden Firma Content.de, hat aber keinen Bedarf.

Es gibt zu denken, dass sich viele Texter bereitwillig auf solches oder ähnliches Preisdumping einlassen – gut nachzulesen im Forum von Textbroker – und nicht merken, dass sie damit quasi ihre Autorenseele und sich selbst unter Wert verkaufen. Man kann nur schlecht arbeiten zu diesen Konditionen. Man kann keine Qualität liefern. Man kann keine Füllwörter vermeiden. Man kann nicht mit Herzblut texten. Oder wenn man es doch tut, dann steigt die Unzufriedenheit mit jedem schlecht bezahlten Wort. Vielleicht ergibt man sich auch in sein Sklavenschicksal – Frau Reimerlei befindet sich noch in der Testphase.

Nachtrag I:

Mittlerweile ist der Reimerlei’sche Kontostand rasant angewachsen. Doch nicht nur die 10- Euro-Marke muss geknackt werden, nein, im Kleingedruckten ist nachzulesen:

Ihr Aktueller Kontostand: 6,87 €

Um eine Auszahlung beantragen zu können, muss Ihr Kontostand mindestens 10,00 Euro betragen. Die Auszahlungen erfolgen jeweils etwa zum 10. eines Monats. Die Beantragung muss spätestens zum 5. eines Monats erfolgen. Andernfalls wird der Betrag erst im darauffolgenden Monat ausbezahlt.

Tja, Pech gehabt, heute ist der 5. des Monats. Wenn das alles nicht so armselig wäre, könnte es ja fast erheiternd sein. Für 6,87 Euro ist neben der NetCologne Geschichte noch ein Text zum Melitta-Mann entstanden, einer zum wunderbaren Thema Jahresabschluss und zuletzt einer zum Thema Fair Trade Kaffee. Na dann mal Prost!

Nachtrag II (August 2011):

Die Langzeitstudie läuft weiter – und die mittlwerweile in den 5-Sterne-Himmel aufgestiegene Frau Reimerlei muss sich für einige wenig nette Formulierungen, besonders im Hinblick auf die ausgesprochen angenehme Textbroker-Community und den persönlichen Autoren-Support, entschuldigen. Wer bei Textbroker schreibt und tatsächlich etwas dazu verdienen möchte, braucht drei D-Dinge: Disziplin. Durchhaltevermögen. Direct Orders. Dann kann man bei einem entsprechend hohen Wortpreis (den man bei Direct Orders ja individuell einstellen kann) z. B. saisonale Auftragsflauten abmildern.

Nachtrag III (Januar 2014):

Über die Jahre hat Frau Reimerlei einige der Menschen getroffen, die mit Textbroker zu tun haben. Autoren, aber auch die Leute in Mainz, die hinter den Kulissen für den Ablauf zuständig sind. Es ist also keine anonyme Börse mehr, sondern man hat sich persönlich am Autoren-Tag kennengelernt, man hat miteinander telefoniert, ist über Facebook vernetzt und über die lange Zeit hat sich beim Portal selbst vieles zum Positiven geändert. So gibt es jetzt wöchentliche Auszahlungen (falls gewünscht), die Wortpreise wurden minimal erhöht und es sind 2013 TeamOrders eingeführt worden. Für diese Teams können sich Autoren nach Interessenslage bewerben. Der Wortpreis variiert sehr, ist aber aus Sicht der 2-,3- und 4-Sterne-Autoren höher als bei OpenOrders. Als 5-Sterne-Texterin verdiene ich bei Direct Orders meist mehr, sodass die Teams weniger interessant für mich sind. Wer gut schreibt und professionell arbeitet, also mit den Auftraggebern kommuniziert und zuverlässig liefert, kann bei Direct Orders durchaus Wortpreise von 10 Cent oder mehr verhandeln – dies ist jedoch die Ausnahme, die meisten 5-Sterne-Autoren bewegen sich im Bereich von 4 bis 8 Cent.Trotzdem: Der Anfang bleibt für neue Autoren schwer und jeder Text ist hart verdientes Brot. Wohlgemerkt: Trocken Brot. Denn für den Belag braucht es dann doch mehr als die Textbroker-Tätigkeit.

Nachtrag IV (Juni 2023):

Frau Reimerlei heißt nun offiziell Taltexte, Textbroker heißt weiterhin Textbroker – beide leben noch und haben sich sehr verändert. Ich schreibe inzwischen überwiegend Fiktionales, nämlich Krimis. Aber ich bin auch noch bei Textbroker aktiv. Die Anforderungen an guten nicht-fiktionalen Content wachsen und eine der größten aktuellen Herausforderungen ist die KI: Künstliche Intelligenz. Wer nun aber glaubt, Texte einfach einem Chatbot aus den digitalen Hirnwindungen leiern und so quasi ohne Aufwand in Sekundenschnelle Geld verdienen zu können, dem muss ich sagen (und dabei den guten alten Wilhelm Busch zitieren): Aber Täuschung war es leider! Wer dazu Genaueres erfahren möchte, dem empfehle ich die Lektüre meines aktuellen Blogbeitrags zum Schreiben mit KI.