Das besondere Bilderbuch: Am Tag, als Saída zu uns kam

Saida BilderbuchDieses Buch nicht vorzustellen, dafür fehlt mir die Zeit! In den vergangenen Monaten habe ich die Buchrezensionen vernachlässigt, sie immer wieder vor mir hergeschoben, immer wieder schien anderes dringender zu sein. Aber für dieses wunderbare, poetische Bilderbuch aus dem Wuppertaler Peter Hammer Verlag schiebe ich jetzt einfach anderes weg, denn ich möchte es unbedingt JETZT von ganzem Herzen empfehlen. „Buchstaben wie Schmetterlinge“ schreibt Rezensentin Regina Riepe in der Süddeutschen Zeitung, und das trifft es so gut! Zufällig war eines der ersten Wörter, das ich mir im Arabischen merken konnte, das Wort für Schmetterling, فراشة (farashatan). Am Tag, als Saída zu uns kam, ist eine Freundschaftsgeschichte zwischen zwei Mädchen, die ganz selbstverständlich kulturelle Grenzen überwinden. Schon für den Satz: „Am Tag, als Saída zu uns kam, wusste ich sofort, dass ich sie immer gernhaben würde.“ liebe ich dieses Buch. Es sollte zur Grundausstattung in jedem Kinderzimmer, in jedem Kindergarten, in jeder Grundschulbibliothek gehören. Ach, es sollte  nicht nur in jedem Bücherregal einen Platz finden, sondern vielmehr zur Hand genommen werden und die Herzen von Kindern und Erwachsenen erreichen. Was soll ich noch schreiben über diese anrührende Geschichte und die zauberhaften Illustrationen, in denen deutsche und arabische Buchstaben tanzen? Das Wichtigste ist wohl, dass zu keiner Zeit der Gedanke aufkommt, dies sei ein weiteres, arg bemühtes „Problembuch“. Im Gegenteil, was geschieht, nachdem Saida aus Marokko ins ferne Land kommt, ist alles andere als trübsinnig und problembehaftet.

Wer hineinschauen möchte: Hier geht’s zum Peter Hammer Verlag mit Blick ins Buch und Leseprobe.

Leider habe ich nur bei bücher.de in Kooperation mit Perlentaucher und DIZdigital einen die Besprechung in der SZ vom 15.04.2016 online gefunden. Ich empfehle aber natürlich Bestellung und Kauf in einer Buchhandlung vor Ort.

 

Gebt mir ganze Sätze!

FachbücherManchmal wünsche ich mir die umständlichen Zeiten zurück, in denen Sätze noch mehr als einen Nebensatz haben durften und trotzdem verstanden wurden. Der Werbe- und Gebrauchstexter von heute muss sich kurz fassen. Aktiv schreiben. Die Leser ans Händchen nehmen und davon ausgehen, es handele sich um eher begriffstutzige und vor allem tendenziell bequeme (um nicht zu sagen: faule) Zeitgenossen, die ihren Text als Gehirnfood happenweise auf einem bunten Tellerchen serviert bekommen möchten. Wir sind eben keine Schriftsteller. Müssen wir darum davon ausgehen, dass unsere Leser gar nicht lesen wollen?

Dies soll kein Plädoyer für verschwurbeltes, kompliziertes Schreiben sein, aber es nervt mich gerade nach dem zigsten Fachbuch zum Thema ein wenig. Vielleicht ist es selektive Wahrnehmung, aber mich öden diese Texte extrem an, die getreu nach Setzkastenprinzip angefertigt werden. Ich ertappe mich immer häufiger dabei, dass ich auch „Stakkato“ schreibe. Natürlich muss zwischendurch immer mal wieder ein Satz mit Nebensatz rein, wegen Rhythmus und so. Aber bloß nicht kompliziert! Immer dran denken: Der Leser will das, was ich schreibe, im Grunde gar nicht lesen. Er will es allenfalls schnell verstehen und abhaken.

Ich glaube, wir brocken uns das konsequent selbst ein. Und ich frage mich, geht dann nicht auch stückchenweise die Lesekompetenz zurück? Alles wird so übersichtlich angerichtet, mit Bildern garniert – leichte Lesekost. Wie hat sich die Aufmachung der Illustrierten verändert! Früher gab es in solchen Blättchen wie der Brigitte oder Freundin auch schon viel zu gucken, aber auch einiges zu lesen. Mir scheint, die Artikel werden immer kürzer. Oder nur immer häufiger durch allerlei Firlefanz unterbrochen. Die Leserin braucht anscheinend bereits nach wenigen Zeilen eine Pause, einen Störer, der die Aufmerksamkeit auf sich zieht, eine Grafik, ein Foto…

Gerade lese ich meinem Jüngsten die Sams-Bücher vor, die alten, nicht die Neuauflagen. Eine solche Aufmachung würde man heute keinem Kind mehr zumuten. Schwarz-Weiß-Illustrationen, und dann auch nur so wenige. Keine farbigen „Verweil“-Bildchen überall. Furchtbar lange Kapitel. Da braucht man Ausdauer beim Lesen – und auch beim Vorlesen. Man merkt Paul Maar die Lust am Fabulieren an. Er hat wohl nicht viel Rücksicht auf die Zielgruppe genommen, er hat lange Sätze geschrieben, mit ganz vielen Nebensätzen. Ich will gar nicht zurück zu dieser schlichten und eingeschränkt kindgerechten Gestaltung. Aber der Trend zu immer bunteren Büchern mit immer mehr Bildanteil bei immer weniger Text in immer größerer Schrift ist klar da. Ist ja auch sinnvoll, für Erstleser beispielsweise. Große Fibeldruckschrift, durch Bilder aufgelockerter Text, super. GU (Der Gräfe & Unzer Verlag) hat nicht zuletzt deswegen so viel Erfolg, weil er Bilderbücher in Erstleser-Format für Erwachsene produziert. Da muss niemand sich durch öde Buchstabenwüsten ackern, so ein Buch zum Thema Garten, Kochen, Tier oder sonstigem Hobby ist hübsch bebildert, man pickt sich raus, was man lesen möchte, zur Not reicht es auch, wenn man nur die Kurzinfos in den Kästchen liest, da ist alles meistens noch mal zusammengefasst. Huch, das waren jetzt aber zu viele Kommas, ganz schlecht strukturierter Satz. Wollte ich so. Und nach dieser kleinen Trotzattacke schreibe ich jetzt wieder ganz vorschriftsmäßig, maximal ein Nebensatz. Keine Einschübe. Klares Textersprech.

Schicke Wörter

Manche Wörter sind zur Zeit richtig angesagt. Ich höre und lese sie bis zum Überdruss. Anfangs fand ich sie großartig, jetzt bin ich sie leid. Großartig liegt momentan extrem im Trend. Irgendwann fing wieder jemand an, dieses schöne Wort zu verwenden, das er aus einer angestaubten Wortresteecke aufgesammelt hatte. War das Patrick Salmen? Wie auch immer, ich fand es fein, lange nicht mehr benutzt, eine großartige Idee, es wieder aufleben zu lassen. Anderen scheint es ähnlich zu ergehen, und schon ist sie da, die Inflation.

Noch schlimmer ist es mit absolut, das als Füllsel für jedwede Sprachlosigkeit herhalten muss. Absolut wird gern in Interwiews gebrabbelt und soll als Antwort auf geschlossene Fragen das Ja ersetzen. Ob Sportler, Moderator, Promi oder Politiker:Es lebe der neue Absolutismus.

Voll ist schon seit Längerem das moderne Total. Früher war alles total ätzend, heute ist alles voll fett oder geil. Ätzend sagt heute niemand mehr, cool ist ebenfalls uncool, wird aber  trotzdem nicht ins Lexikon der bedrohten Wörter aufgenommen. Denn dort geht es um bedrohte schöne deutsche Wörter. Auf cool trifft da ja nun mal nichts von allem zu. Und großartig ist nicht (mehr) bedroht.

Was sage und schreibe ich denn mal demnächst, wenn ich großartig meine, es aber anders formulieren möchte? Früher hätte ich mich einfach mit klasse oder toll beschieden, damals in den 80ern, oder wann kam toll wieder in Mode? Ursprünglich meinte es im Alt- und Mittelhochdeutschen ja etwas ganz anderes und wurde auch anders geschrieben, nämlich tol = töricht.

Eminent? Gewöhnungsbedürftig und irgendwie wichtigtuerisch. Tadellos, ja das finde ich gut. Das werde ich mal aus der Mottenkiste befreien. Ich weiß aber nicht, ob es das Zeug hat zum schicken Wort.