Manchmal wünsche ich mir die umständlichen Zeiten zurück, in denen Sätze noch mehr als einen Nebensatz haben durften und trotzdem verstanden wurden. Der Werbe- und Gebrauchstexter von heute muss sich kurz fassen. Aktiv schreiben. Die Leser ans Händchen nehmen und davon ausgehen, es handele sich um eher begriffstutzige und vor allem tendenziell bequeme (um nicht zu sagen: faule) Zeitgenossen, die ihren Text als Gehirnfood happenweise auf einem bunten Tellerchen serviert bekommen möchten. Wir sind eben keine Schriftsteller. Müssen wir darum davon ausgehen, dass unsere Leser gar nicht lesen wollen?
Dies soll kein Plädoyer für verschwurbeltes, kompliziertes Schreiben sein, aber es nervt mich gerade nach dem zigsten Fachbuch zum Thema ein wenig. Vielleicht ist es selektive Wahrnehmung, aber mich öden diese Texte extrem an, die getreu nach Setzkastenprinzip angefertigt werden. Ich ertappe mich immer häufiger dabei, dass ich auch „Stakkato“ schreibe. Natürlich muss zwischendurch immer mal wieder ein Satz mit Nebensatz rein, wegen Rhythmus und so. Aber bloß nicht kompliziert! Immer dran denken: Der Leser will das, was ich schreibe, im Grunde gar nicht lesen. Er will es allenfalls schnell verstehen und abhaken.
Ich glaube, wir brocken uns das konsequent selbst ein. Und ich frage mich, geht dann nicht auch stückchenweise die Lesekompetenz zurück? Alles wird so übersichtlich angerichtet, mit Bildern garniert – leichte Lesekost. Wie hat sich die Aufmachung der Illustrierten verändert! Früher gab es in solchen Blättchen wie der Brigitte oder Freundin auch schon viel zu gucken, aber auch einiges zu lesen. Mir scheint, die Artikel werden immer kürzer. Oder nur immer häufiger durch allerlei Firlefanz unterbrochen. Die Leserin braucht anscheinend bereits nach wenigen Zeilen eine Pause, einen Störer, der die Aufmerksamkeit auf sich zieht, eine Grafik, ein Foto…
Gerade lese ich meinem Jüngsten die Sams-Bücher vor, die alten, nicht die Neuauflagen. Eine solche Aufmachung würde man heute keinem Kind mehr zumuten. Schwarz-Weiß-Illustrationen, und dann auch nur so wenige. Keine farbigen „Verweil“-Bildchen überall. Furchtbar lange Kapitel. Da braucht man Ausdauer beim Lesen – und auch beim Vorlesen. Man merkt Paul Maar die Lust am Fabulieren an. Er hat wohl nicht viel Rücksicht auf die Zielgruppe genommen, er hat lange Sätze geschrieben, mit ganz vielen Nebensätzen. Ich will gar nicht zurück zu dieser schlichten und eingeschränkt kindgerechten Gestaltung. Aber der Trend zu immer bunteren Büchern mit immer mehr Bildanteil bei immer weniger Text in immer größerer Schrift ist klar da. Ist ja auch sinnvoll, für Erstleser beispielsweise. Große Fibeldruckschrift, durch Bilder aufgelockerter Text, super. GU (Der Gräfe & Unzer Verlag) hat nicht zuletzt deswegen so viel Erfolg, weil er Bilderbücher in Erstleser-Format für Erwachsene produziert. Da muss niemand sich durch öde Buchstabenwüsten ackern, so ein Buch zum Thema Garten, Kochen, Tier oder sonstigem Hobby ist hübsch bebildert, man pickt sich raus, was man lesen möchte, zur Not reicht es auch, wenn man nur die Kurzinfos in den Kästchen liest, da ist alles meistens noch mal zusammengefasst. Huch, das waren jetzt aber zu viele Kommas, ganz schlecht strukturierter Satz. Wollte ich so. Und nach dieser kleinen Trotzattacke schreibe ich jetzt wieder ganz vorschriftsmäßig, maximal ein Nebensatz. Keine Einschübe. Klares Textersprech.