Die Erleuchtung

Frau Reimerlei gehen einige Lichter auf, weswegen ihre Blogablage ein wenig vor sich hin dümpelt. Es werde Licht, sprach ein Leuchtenhaus in Düsseldorf und beauftragte Frau Reimerlei gnadenlos, sich zu allen nur erdenklichen Formen von Leuchtobjekten etwas Schönes auszudenken. Gereimt muss es nun nicht gerade sein, aber leuchten muss es, weithin sicht- und auffindbar im Internet. Und so weiß Frau Reimerlei nun Bescheid über Leuchten, deren es etliche – nämlich mindestens diese –  gibt:

Quelle: Wikimedia

Innenleuchten, Außenleuchten, Strahler, Klemmleuchten, Stehleuchten, Wandleuchten, Tischleuchten
Deckenfluter, Deckenleuchten,
Deckeneinbauleuchten,
Pendelleuchten,
Gartenleuchten,
Pollerleuchten,
Bodenleuchten …
… Poesie des Lichts!

Textsklaven

Texten kann so viel mehr sein als SEO-optimierte, ansonsten sinn- und niveaulose, unterbezahlte Wortklauberei. Trotzdem wollte Frau Reimerlei mal wissen und am eigenen Leib spüren: Wie fühlt sich die moderne Textsklaverei an?

Es gibt diverse Portale, in denen sich Freiwillige tummeln und für erschütternd schlechte Bezahlung wie am Fließband zähen Textbrei zusammenrühren. Da fragte sich Frau Reimerlei zweierlei:

1.) Was erwartet der Kunde von solchen Texten?
2.) Was erwartet den Kunden dann in der Realität?

Die Antwort auf beide Fragen lautet:

Meist keine hohe Qualität …

Einmal als  „Autor“ beispielsweise bei Textbroker.de angemeldet, kann das Schicksal seinen Lauf nehmen. Neue Schreiberlinge müssen zunächst einen Text zwischen 150 und 180 Wörtern verfassen. Zwei Themen sind vorgegeben, Produktbeschreibung oder Werbung für eine touristische  „Destination“. Frau Reimerlei entscheidet sich für letztere Variante und schreibt zu mitternächtlicher Stunde einen relativ schludrigen Werbeartikel für die Metropole Bergisches Land, der schon tags darauf akzeptiert und mit drei von fünf Sternen bewertet wird. Dies sei eine vorsichtige Einschätzung, heißt es in der Begründung, zukünftig würden alle weiteren Auftragsarbeiten bewertet und somit würde dann steigende Qualität auch entsprechend honoriert.

Texter(innen)s Sternenwelten

Ein Stern würde übrigens nicht ausreichen, um angenommen zu werden. Zwei Sterne sind Minimum – und Frau Reimerlei möchte nicht wissen, wie schlecht man schreiben muss, um eine Zweisterne-Einstufung zu erhalten – die übersetzt  „mäßig“ heißt – und welchen Auftraggebern dies gut genug sein mag. Drei Sterne bedeuten „gut“, vier Sterne „ausgezeichnet“ und fünf Sterne „professionell“.  Aufträge für professionelle Texter gibt es dort auch, aber eher selten, den meisten reichen schlicht gestrickte Wortaneinanderreihungen mit genügend „Keywords“. Nachtrag 2014: Das war der Stand 2011, seither ist der Qualitätsanspruch der Textbroker-Kunden erheblich gestiegen, nicht zuletzt wegen der ebenfalls wachsenden Suchmaschinen-Intelligenz. 

Frau Reimerlei ist drin, und nun?

Nach der erfolgreichen Anmeldung schaut Frau Reimerlei sich einmal an, was an Aufträgen zur Auswahl steht. Wohlklingende Rubriken wie „Beauty“, „Shopping“, „Internet“ und dergleichen mehr. Vieles davon schon ab zwei Sterne billigst zu erstellen, anderes erst ab drei Sterne nicht wesentlich unbilliger. Ihre Wahl fällt auf die geheimnisvoll und immerhin etwas spannend erscheinende Überschrift  „Bitte selbst erstellen und kreativ sein“. Was mag sich dahinter verbergen? Frau Reimerlei klickt wild entschlossen auf den Button: „Ich möchte diesen Text schreiben“.

Für knappe 3 Euro Gage (pro Wort etwa 1 Cent) soll ein bereits bestehender Artikel mit Keywords versehen und aufgeplustert werden – aus 200 Wörtern Pressemitteilung mach 300, und das auch noch sinnvoll. Einmal angefangen, gibt es kein Zurück, obwohl schnell klar ist: Wenn so etwas halbwegs gut gemacht werden soll, bedarf es weiterer Recherche und lohnt den Aufwand überhaupt nicht. Es interessiert Frau Reimerlei aber immens, was mit diesem Billigheimer-Text nach Fertigstellung und Abgabe geschehen würde, und deswegen formuliert sie um und füllt auf, bis die gewünschte Anzahl an Wörtern erreicht ist und das Geschreibsel abgeschickt werden kann. Danach heißt es darauf zu warten, ob der Kunde das Ganze gnädigst akzeptiert, oder für weniger als 3 Euro etwa noch Nachbesserungen zu leisten sind. Aber glücklicherweise ist bereits am nächsten Mittag die Sache abgenommen – Text zur Zufriedenheit und irgendwo im Worldwideweb wohl auch zu finden. Nur wo? Das erfährt der Textsklave nämlich nicht. Frau Reimerlei, zwar häufig auf den Kopf gefallen, aber nicht ganz verdummt, befragt Meister Google, indem sie ihre Überschrift eingibt, und siehe da: Da ist er, ihr mühsam geschusterter Text: NETCologne erneut vom TÜV Rheinland ausgezeichnet.

Redundanter Schund

Wundert es da eigentlich noch irgend jemanden, dass eine extrem hohe Anzahl schlechter, fehlerhafter und von hinten bis vorn falscher Texte online verfügbar ist? Jeder will alles noch einmal aufgewärmt irgendwo stehen haben, bitte „unique content“, jawohl. Hier gilt die Devise: Es ist zwar schon alles geschrieben, aber noch nicht von jedem und noch nicht überall.

Everything counts in small amounts …

Das Beste an dieser Sache aber ist: Frau Reimerlei hat zwar knapp 3 Euro verdient, auszahlungsfähig sind jedoch erst Summen ab 10 Euro. Ist das nicht genial? Entweder die 3 Euro abschreiben, oder weiter als Sklavin schuften. Frau Reimerlei will das Experiment knallhart bis 10 Euro durchziehen. Der nächste Job: Die Startseite dieser im Aufbau befindlichen Internetpräsenz verlangt einen Begrüßungstext. Muss bis morgen fertig sein. Na klar, billig und schnell. Frau Reimerlei wäre dann mal weg… Wird sich aber dennoch den Begrüßungstext dieser Seite bei Gelegenheit anschauen, der bis zu 4 Euro wert ist! Und: Die Content-Konkurrenz schläft nicht! So erhält Frau Reimerlei die persönliche Einladung eines „Headhunters“ für 1-Cent-Texter der sehr ähnlich agierenden Firma Content.de, hat aber keinen Bedarf.

Es gibt zu denken, dass sich viele Texter bereitwillig auf solches oder ähnliches Preisdumping einlassen – gut nachzulesen im Forum von Textbroker – und nicht merken, dass sie damit quasi ihre Autorenseele und sich selbst unter Wert verkaufen. Man kann nur schlecht arbeiten zu diesen Konditionen. Man kann keine Qualität liefern. Man kann keine Füllwörter vermeiden. Man kann nicht mit Herzblut texten. Oder wenn man es doch tut, dann steigt die Unzufriedenheit mit jedem schlecht bezahlten Wort. Vielleicht ergibt man sich auch in sein Sklavenschicksal – Frau Reimerlei befindet sich noch in der Testphase.

Nachtrag I:

Mittlerweile ist der Reimerlei’sche Kontostand rasant angewachsen. Doch nicht nur die 10- Euro-Marke muss geknackt werden, nein, im Kleingedruckten ist nachzulesen:

Ihr Aktueller Kontostand: 6,87 €

Um eine Auszahlung beantragen zu können, muss Ihr Kontostand mindestens 10,00 Euro betragen. Die Auszahlungen erfolgen jeweils etwa zum 10. eines Monats. Die Beantragung muss spätestens zum 5. eines Monats erfolgen. Andernfalls wird der Betrag erst im darauffolgenden Monat ausbezahlt.

Tja, Pech gehabt, heute ist der 5. des Monats. Wenn das alles nicht so armselig wäre, könnte es ja fast erheiternd sein. Für 6,87 Euro ist neben der NetCologne Geschichte noch ein Text zum Melitta-Mann entstanden, einer zum wunderbaren Thema Jahresabschluss und zuletzt einer zum Thema Fair Trade Kaffee. Na dann mal Prost!

Nachtrag II (August 2011):

Die Langzeitstudie läuft weiter – und die mittlwerweile in den 5-Sterne-Himmel aufgestiegene Frau Reimerlei muss sich für einige wenig nette Formulierungen, besonders im Hinblick auf die ausgesprochen angenehme Textbroker-Community und den persönlichen Autoren-Support, entschuldigen. Wer bei Textbroker schreibt und tatsächlich etwas dazu verdienen möchte, braucht drei D-Dinge: Disziplin. Durchhaltevermögen. Direct Orders. Dann kann man bei einem entsprechend hohen Wortpreis (den man bei Direct Orders ja individuell einstellen kann) z. B. saisonale Auftragsflauten abmildern.

Nachtrag III (Januar 2014):

Über die Jahre hat Frau Reimerlei einige der Menschen getroffen, die mit Textbroker zu tun haben. Autoren, aber auch die Leute in Mainz, die hinter den Kulissen für den Ablauf zuständig sind. Es ist also keine anonyme Börse mehr, sondern man hat sich persönlich am Autoren-Tag kennengelernt, man hat miteinander telefoniert, ist über Facebook vernetzt und über die lange Zeit hat sich beim Portal selbst vieles zum Positiven geändert. So gibt es jetzt wöchentliche Auszahlungen (falls gewünscht), die Wortpreise wurden minimal erhöht und es sind 2013 TeamOrders eingeführt worden. Für diese Teams können sich Autoren nach Interessenslage bewerben. Der Wortpreis variiert sehr, ist aber aus Sicht der 2-,3- und 4-Sterne-Autoren höher als bei OpenOrders. Als 5-Sterne-Texterin verdiene ich bei Direct Orders meist mehr, sodass die Teams weniger interessant für mich sind. Wer gut schreibt und professionell arbeitet, also mit den Auftraggebern kommuniziert und zuverlässig liefert, kann bei Direct Orders durchaus Wortpreise von 10 Cent oder mehr verhandeln – dies ist jedoch die Ausnahme, die meisten 5-Sterne-Autoren bewegen sich im Bereich von 4 bis 8 Cent.Trotzdem: Der Anfang bleibt für neue Autoren schwer und jeder Text ist hart verdientes Brot. Wohlgemerkt: Trocken Brot. Denn für den Belag braucht es dann doch mehr als die Textbroker-Tätigkeit.

Nachtrag IV (Juni 2023):

Frau Reimerlei heißt nun offiziell Taltexte, Textbroker heißt weiterhin Textbroker – beide leben noch und haben sich sehr verändert. Ich schreibe inzwischen überwiegend Fiktionales, nämlich Krimis. Aber ich bin auch noch bei Textbroker aktiv. Die Anforderungen an guten nicht-fiktionalen Content wachsen und eine der größten aktuellen Herausforderungen ist die KI: Künstliche Intelligenz. Wer nun aber glaubt, Texte einfach einem Chatbot aus den digitalen Hirnwindungen leiern und so quasi ohne Aufwand in Sekundenschnelle Geld verdienen zu können, dem muss ich sagen (und dabei den guten alten Wilhelm Busch zitieren): Aber Täuschung war es leider! Wer dazu Genaueres erfahren möchte, dem empfehle ich die Lektüre meines aktuellen Blogbeitrags zum Schreiben mit KI.