Ich fühle mich heute so bestochen

Es gibt ein Wort im Textersetzkasten des Grauens, das mir in letzter Zeit besonders häufig über den Weg läuft, mir denselben förmlich inflationär abschneidet. Gerade heute wieder – vielleicht ist es auch einfach nur die selektive Wahrnehmung. Wenn es gilt, etwas zu loben, in höchsten Tönen anzupreisen, Begehrlichkeiten zu wecken, dann hat der Texter bei mir in dem Moment verloren, in dem ich lese: „XY besticht durch YZ“. Besonders peinlich wird die Floskel, wenn es sich um banale Dinge wie beispielsweise einen Toaster handelt. „Der Toaster besticht durch sein rustikales Design.“  So etwa, das ist jetzt frei erfunden, nirgendwo gelesen. Aber so ähnlich, hundertfach, tausendfach:

„Osnabrück besticht durch seine breite Kultur des Ehrenamtes.“ Ach?

“Die Finca besticht durch ihre Atmosphäre.” Toll.

„Diese Küche besticht durch ihre Schlichtheit“. Hmm.

„Microtower besticht durch seine Größe“ Da ist Klein wohl das neue Groß.

„Kinderuni Föhr besticht durch neue Themenvielfalt.“ Aha. Interessant. Vielleicht beeindruckt sie, hebt sich ab von anderen, aber „besticht“ in dem Zusammmenhang, das schlägt allenfalls der Thesaurus vor.

„Das UNIROR-Molch-System besticht durch mehrere Vorteile“. (Diese Aussage besticht durch maximale Schwammigkeit selbst mich)

Das hier ist aber nett: „Das Gasthaus „Zum Scharfrichter“ in Werder besticht durch Wohlfühlambiente und faire Preise.“ Wunderbar, gefällt mir!

Es ist ja nicht so, als könne der gemeine Texter nicht aus dem Vollen schöpfen: „sich anbieten, Anklang finden, ansprechen, anziehen, auffallen, beeindrucken, Beifall finden, Bewunderung hervorrufen, bezaubern, brillieren, Eindruck hinterlassen/machen, einnehmen, gefallen, glänzen, hervorragen, hervorstechen, imponieren, wirken, zusagen“ … sagt der Duden. Stimmt schon, nicht alles mag immer passen. Und manches ist in der Tat bestechend oder gar betörend schön, keine Frage. Aber doch nicht das UNIROR-Molch-System. Oder Osnabrück. Vielleicht besticht gar Wuppertal durch etwas, Moment, ich schaue gleich mal nach: „Das Lager in Wuppertal besticht durch hervorragende Parkmöglichkeiten“. Na ja, immerhin.

Philosophische Mittagsgespräche Vol I: Mutter, willst du ewig leben?

Beim Mittagessen (Pommes frisch geschnitzt aus Süßkartoffeln und normalen Kartoffeln, Tofu-Steaks und  – oh Schande  – Erbsen und  Möhren aus der Dose), fällt dem jüngsten Sohn des Reimerleischen Hauses mal wieder auf, wie alt seine Mutter ist.

„Mama, wenn du stirbst und ich bin noch nicht groß, passt dann meine Schwester auf mich auf?“

„Ganz bestimmt. Aber ich hoffe doch, dass ich noch so lange lebe, bis du groß bist.“

 

Beim Sohn Kauen und Schweigen.

„Mama, vielleicht lebst du noch, bis ich so ungefähr 10 oder 11 bin.“

„Ein bisschen älter möchte ich schon noch werden, ich möchte doch noch viel erleben.“

Beim Sohn leichtes Unverständnis: “ Ich bin 6 und habe schon sehr viel erlebt!“

Okay, das ist die richtige lässige Einstellung zum Thema Tod und Sterben. Mir ist nicht mehr viel vergönnt!

Shades of Grey „Geheimes Verlangen“ und was ich dazu zu sagen hätte …

Leute, ich bin Buchhändlerin und werde dieses Buch verkaufen! Schließlich brauchen wir Umsätze, also werfen wir derzeit alle Dünkel von Bord und handeln einfach. Mit Schnickschnack, der uns, dem darbenden Buchandel, zu mehr Umsatz verhelfen soll, mit lüsternen Blutsaugern, dauerrolligen Katzenmenschen und saukomischen Weiberromanen. Und jetzt verkaufen wir eben „Geheimes Verlangen“. Aber eines kann ich NICHT, nämlich dies Buch empfehlen. Das soll aber bitte niemanden daran hindern, es trotzdem zu kaufen. Sicher wird es bald ohnehin in trauter Eintracht mit den Folgebänden „Gefährliche Liebe“ und „Befreite Lust“ ein Stelldichein auf der Spiegel-Bestsellerliste feiern.

50 Shades of Grey lautet der englische Originaltitel, die 50 hat der deutsche Verlag („Goldmann – Lesen erleben“ – oho!) gegen den Untertitel „Geheimes Verlangen“ eingetauscht, die Krawatte auf dem Titelbild gegen eine Blüte, die offenbar weibliche Sinnlichkeit symbolisieren soll. Die Protagonistin plappert von Seite 7 bis Seite 602 ebenso unentwegt wie dämlich vor sich hin, schließlich hat sie uns ihre außerordentlich aufwühlende Geschichte zu erzählen. Der Protagonist kann endlich mal die Zähne zeigen, ohne ein Vampir zu sein, er ist einfach nur ein ganz normalsterblicher Mann: extrem gut aussehend, schwer reich, großer Schwanz, immer bereit, arrogantes Arschloch – und auch sonst ein Typ, von dem sich eine naive Jungfrau gern kurz mal die Unschuld rauben und nach Unterschreiben des mehrseitigen Sklavenvertrags etwas später auch fast freiwillig ausdauernd versohlen lässt.

Keine Angst, dies wird kein Spoiler, es kann gar keiner sein, denn wesentliche Spannungsmomente habe ich nicht entdecken können. Eindimensionale Charaktere, denen die Autorin krampfhaft mehr Tiefe verleihen möchte, was aber nicht gelingt. Der fiese arrogante Sack ist eigentlich ein netter Kerl und hatte wahrscheinlich eine schwere Kindheit, Genaueres werden Band 2 und 3 zum Vorschein zerren. Die unbedarfte Ex-Jungfrau ist ja eigentlich total intelligent, schließlich liest sie als Literaturstudentin auch Thomas Hardy. Leider hindert sie das nicht daran, gefühlte 100 Mal Dialoge mit ihrer jauchzenden „inneren Göttin“ zu führen, beim Orgasmus ständig in 1000 Stücke zu zerbersten und obendrein sehr zum Missfallen von Master-of-her-Universe Grey beharrlich augenverdrehend an ihrer Unterlippe zu kauen, woraufhin er – es scheint ein Schlüsselreiz und Teil seines Kindheitstraumas zu sein – sofort Sex haben möchte. Oder peitschen oder so was.

Auf der typischen Sterne-Skala von 1 bis 5 würde ich der faden Story um die graue Maus Anastasia und ihren schwarzen Schwänerich Christian nur deshalb üppig bemessene zwei Sterne spendieren, weil das Buch unfreiwillig komisch und darum doch irgendwie amüsant ist. Ohne es zu wissen – es ist wirklich nur eine Vermutung – neige ich dazu zu glauben, dass auch die SM-Szene das Werk indiskutabel findet. In der Zusammenfassung ist es nicht ergiebiger als eine Endlosschleife „Master and Servant“, von der britischen Band Depeche Mode bereits 1984 thematisiert.

„There’s a new game
We like to play you see
A game with added reality
You treat me like a dog
Get me down on my knees
We call it master and servant.”

NACHTRAG 11.07.12:  Eine Rezension, die es toll auf den Punkt bringt und dabei noch so herrlich die naive Tonart der Story parodiert, fand ich eben beim großen Online- Konkurrenten. Mit freundlicher Genehmigung des Rezensenten Kirk Spader:

Meine Oberlippe zersprang in 1.000 Stücke … 11. Juli 2012
Neulich fuhr ich im geliehenen R8 Spider eines Kumpels durch die Gegend, als mir einfiel, dass ich für den geplanten Campingurlaub noch Material brauchte um die Zeltstangen zu transportieren. Also den R8 zackig vorm Haupteingang eines Baumarktes in der Nähe geparkt und nur im weißen Oberhemd und gut auf der Hüfte sitzender Jeans in den Baumarkt. Da war natürlich kein Verkäufer, also ich in den Pausenraum ohne anzuklopfen. Da waren die alle. Verkäuferin ausgesucht und ihr gesagt, dass ich Kabelbinder, Klebeband und Seil bräuchte. Sie wurde knallrot und wir gingen in die Elektroabteilung wegen den Kabelbindern. Sie stolperte dreimal und gesagt hat sie auch nicht viel, weil sie die ganze Zeit an ihrer Oberlippe knabberte. Das hat total genervt. Als ich die Kabelbinder (zum Zusammenbinden der Zeltstangen) ausgesucht hatte, kam sie immer näher und nuschelte etwas (konnte ich nicht genau verstehen, weil sie immer noch an der Oberlippe nagte), klang so, als wenn wir einen Vertrag machen sollten. Ich sagte, dass ich einen Vertrag über den Kauf von Kabelbindern, Klebeband und Seil etwas übertrieben fände, es würde doch reichen, wenn ich es kaufen und eine Quittung bekommen würde. In der Klebebandabteilung sagte sie, dass sie gleich explodieren würde. Dabei sah sich mich ganz komisch an. Ich wollte nicht, dass sie explodiert, deswegen habe ich sie vorsichtshalber mit dem Klebeband umwickelt und sie an einer Säule fixiert. Die anderen Kunden haben komisch geguckt, aber ich habe einfach weitergemacht. Dann bin ich gegangen. Im Zelturlaub habe ich dann „Shades of Grey“ gelesen. Ich finde, das ist ein Klassebuch, weil absolut realitätsnah.

Applaus, Mr. Spader!

Frau Sanne
CEO Reimerlei

Der Prinz von Costa Mar

… oder die Herren der Liegen.

Manch ein Urlauber bemüht sich nach Leibeskräften, den schlechten Ruf deutscher Feriengäste auf gar keinen Fall zu schmälern. Das kann schon mal in Arbeit ausarten, aber man gönnt sich ja sonst nichts im Urlaub, da nimmt man das gern in Kauf.  Wer es darauf anlegt, drei Wochen auf einem Fleck zu verharren, nämlich dem immer gleichen Platz am Pool, scheut darum kein noch so schweißtreibendes Ritual – schließlich verschafft der meistens recht böig wehende Wind relativ rasch kühlende Erfrischung. Und so kommen die Hotelgäste jeden Morgen und jeden Abend in den Genuss eines fast schon schmerzhaften Spektakels.

Beginnen wir die Erzählung mit den Abenden, wenn der Hausmeister und Mann fürs Grobe – nennen wir ihn Pedro – seine Runde am Pool beginnt. Konzentriert beseitigt er die Spuren des Tages, stellt Liegen und Sonnenschirme akkurat in die jeweils vorgesehene Position. Ordnung am Pool, das ist seine allabendliche Aufgabe, und die erledigt er gewissenhaft wie Sisyphos. Im Laufe des Urlaubs schließe ich Pedro ins Herz, der klaglos Schirme schleppt, Liegen ausrichtet und dabei immer das ideale Gesamtbild im Auge hat: eine exakt ausgerichtete, nett arrangierte Poollandschaft.

Zugleich wächst in mir die Antipathie gegen – nennen wir ihn Kurt. Kurt, ein beleibter Herr undefinierbaren Alters ist ein Stammgast des Etablissements. Seine Begleiterin könnte Ehegattin oder Mutter sein, wir tippen auf Mutter. Kurt frühstückt, wie es sich gehört, nämlich früh. Er stärkt sich für die anstehende Tagesaufgabe, die darin besteht, zwei der am Abend zuvor unter Mühen sinnvoll angeordneten Poolliegen und zwei der wenigen vorhandenen Sonnenschirme  strategisch günstig neu zu positionieren. Das schreibt und liest sich einfacher, als es ist. Kurt räumt und schleppt im Schweiße seines ausladenden Bauchumfangs, bis er  zwei Liegen und Schirme genau dort stehen hat, wo er den Rest des Tages – möglicherweise sogar den Rest seiner Tage – verbringen möchte. Da Kurt die Privatsphäre liebt, werden alle andere Liegen großzügig weit weg geschoben, denn er weiß aus Erfahrung:  Im Laufe eines Pooltages wird es erforderlich sein, zu jeder vollen Stunde die Liegen in Richtung Sonne zu drehen. Da stören andere Liegestühle im Umkreis von drei Metern natürlich enorm.

Etwa dreißig Minuten später bezieht Kurt sein komfortabel mit Schaumstoffmatratzen, Handtüchern und weiterem Equipment ausgestattetes Domizil, auch Mutter (oder Ehefrau) erscheint nun. Für den Rest des Tages wird Kurt sein Reich nur verlassen, um eine Runde Tischtennis mit dem Animateur zu spielen, die Toilette zu benutzen und Essen zu fassen. Rechtzeitig vorm Abendbrot dann streicht er die Segel und entschwindet in Richtung Apartment. Das ist die Stunde des wackeren Hausmeisters: Pedro darf wieder ran! Ach ja, muss ich erwähnen, dass genau an der Stelle, an der Kurt es sich besonders gern gemütlich macht, ein Schild befestigt ist? Aber unnütz reserviert hat er die Liegen nicht, das muss man dem Kurt ja lassen. Er lag auch immer drauf!

Urlaub statt Schreibtisch

Absolut urlaubsreif verabschiedet sich die Taltexterin (nebst Frau Reimerlei) für 14 Tage und macht vom 29. Mai bis 10. Juni eine kurze Sommerpause – gemeinsame Betriebsferien sozusagen. Bestens erholt und mit neuem Schwung kehren beide am 11. Juni zurück, sind allerdings bereits bis Anfang Juli mit Textarbeit ausgelastet. Größere eilige Aufträge können daher im Juni nicht mehr kurzfristig bearbeitet werden. Anfragen für langfristige Projekte sind ab dem 11. Juni aber jederzeit willkommen.

(Bildquelle: Wikimedia Commons)